Dienstag, 1. April 2014

402a – Viertens – KAPPA 2.1 - 2.3







Ober-KAPPA 2. Die Erforschungen des unteren Geroner, seiner Mündung und der Krinischen Meeresbucht von Ganorinth  . . .



den Überblick aller meiner Blogs findet ihr hier: 
http://mein-abenteuer-mein-leben75.blogspot.com

im folgenden Blog findet ihr den Anfang der Geroner-Forschungen
sowie den Überblick über alle Geroner-Blogs
: 
http://geroner-aestuar.blogspot.com




Diese Karte umschreibt das Land, in dem die Geroner-Geschichte spielt,
Aklanpa {Mittelerde bei TOLKIEN}.
Die Skala am unteren Rand kennzeichnet 4 x 10 lomische Meilen.
Das Himmelsrichtungs-Kreuz ist genordet.
Dunkel gezeichnet die Gebirge.





–> KAPPA 2.1  Vorbereitungen beim König

Von Ekro Krinath reisen wir nach Abyssál. Hier kommen wir uns sehr fremd vor. Wir waren mehr als ein Jahr fort gewesen und hatten so vieles erlebt, das uns sehr verändert hat. Am Anfang wissen wir nicht, was es nun zu tun gäbe. Schon auf der Wanderung hatten wir in manchen Gesprächen miteinander  versucht, eine neue Forschungsordnung zu finden. Das Wichtigste schien uns, unsere Gruppe aufzulösen und eine neue Gruppe entstehen zu lassen, an der sich ebenso viele Frauen beteiligen wie Männer. Wir wollten auch offen sein für Leute, die nicht unsere Erfahrungen gemacht hatten, die also in den gewöhnlichen althergebrachten Mustern des Denkens und Fühlens von Frauen oder Männern fest verankert sind. Doch wird es sich zeigen, daß das sehr schwierig ist.


So aber verlief dieser letzte Teil der Reise:

Vom nördlichen Randgebirge des Alan Glazinian stiegen wir hinab in die Ebene des oberen Geroner-Flusses, umwanderten den Andrion-Wald und gelangten an die Reste der alten Wehrmauern der Silbernen Felder.

Doch schon hier auf den Silbernen Feldern, noch bevor wir auf unserer Wanderung Ekro Krinath erreichen, bekommen wir die Nachricht, daß uns der König Krinanon (er ist der Dritte dieses Namens) erwarte und einen Bericht von uns hören möchte. Das ist nun eine große Ehre, denn er ist nicht nur der König sondern ein Mitglied des alten sehr erfahrenen Königs-Geschlechts.

Krinanon der Dritte ist nämlich der zweiundzwanzigste Erbe von Andran, dem Begründer dieser Linie, und der Enkel des Großen Krinanon, der nach dem Krieg gegen Rou-undt {Sauron bei Tolkien} vor dreihundert Jahren König der Vereinigten Königreiche von Arnor und Krinaniath {Rohant und Gondorra} wurde. Krinanon der Dritte ist auch Urenkel des Arathorn, der hoch im Norden von Aklanpa {Mittelerde} lebte und große Heldentaten im Krieg gegen den Schwarzen Fürsten Rou-undt vollbrachte, doch er verlor Ende des Krieges sein Leben.

Am Tor gab es bereits einen ehrenhaften Empfang, und man wußte in der Stadt bereits, daß wir uns auf eine so entbehrungsreiche Reise gemacht hatten, und daß wir mit dieser Reise gewisse Grundlagen zur Erforschung der Meere legen wollten – wenn auch nicht verstanden wurde, welcher Art diese Grundlagen sein sollten (das mag auch in anderen wissenschaftlichen Kreisen schwierig zu verstehen sein).

Ich berichte nun, wie es uns erging: Der König empfängt uns in einem Gesprächsraum des Schlosses. Er ist uns sehr huldreich und zugetan, er schätzt unsere Pläne und Reise sehr und läßt sich berichten. Auch über die Wagen der Zwerge berichten wir, was ihn sehr interessiert, er läßt eine Frau zuhören, der er die Aufgabe einer Verkehrsministerin (so etwas gibt es bisher nicht) zugedacht hat. Er gibt uns Unterrichtung:



Unter-KAPPA 2.1.1 Plan einer Forschergruppe


>>Ihr werdet eine Forschergruppe aufstellen, in der immer gleich viele
Frauen und Männer sind. Beginnt mit etwa zwanzig Leuten.
In ihrem Können und Denken sollen Frauen und Männer
in der Gruppe gleich herkünftig und gleich geachtet sein.
Auch sollen die Denkweisen verschiedener Kulturen einge-
bunden und hoch geachtet werden, wenn sie euch auch unnütz
erscheinen mögen.

>>Ich erwarte, daß ihr in vier Monaten eine Gruppe von mindestens
erstmal zehn Leuten zusammen gestellt haben werdet und mir berichtet
– das heißt schriftlich, denn nicht immer müsst ihr hierher reisen.
Die königliche Botenpost mag genügen.

>>Wenn aber diese Gruppe entstanden und gereift ist, kommt ihr alle wieder in
die Residenz,und ich werde alles noch einmal sagen, damit
alle es hören und verstehen.

>>So wie ich es heute sehe – doch eure halbjährigen Berichte
könnten meine Meinung ändern –, sollt ihr nach dem
folgenden Schema arbeiten:

>>Ihr erforscht eine gewisse Sache und ihr berichtet über das
Gefundene nach strengen Richtlinien, die ich euch gleich
geben werde. Dann gebt ihr mir schriftlichen Bericht.

>>Vorweg aber eine Bemerkung zu den geistigen Grundlagen eurer
Arbeit: Jeder Mensch hat gewisse VORSTELLUNGEN
(Fachausdrücke 5: 11) von dem, was ist – ob es aber tatsächlich
so ist, kann man nicht immer wissen, dazu forscht man.
Was ist eine Vorstellung? Ich sage mal: eine Vorstellung ist der
Inhalt und die Form des Denkens und Meinens – das Meinen
wird oft als Wissen mißverstanden.

>>Alle Vorstellungen müsst ihr immer hinterfragen: woher
stammen sie – aus eurer Kindheit, aus der Schule,
von undiszipliniertem Denken, aus Gesprächen, aus
ungenauen Beobachtungen, aus Spekulationen oder Spielen –,
wie sind sie entstanden und wie verändern sie sich,
wie beeinflussen sie die Menschen und ihr Tun.

>>Es ist also immer riskant, solche ungenauen Vorstellungen
vor mir als Wahrheiten oder Wissen hinzustellen, denn
dann kann es geschehen, daß der König falsche Entschlüsse
faßt. Das wäre sehr schädlich für alle und würde auf euch
zurückfallen. Seid also immer sehr sorgfältig.
Prüft alle Vorstellungen sowohl durchs
Forschen als auch durchs klare Denken.

>>Ihr könnt auch nicht darauf bauen, daß ich eure Fehler schnell
erkenne, da müsst ihr selbst immer die Kontrolle ausüben.

>>Solche ungenauen Vorstellungen können aber auch aus den For-
schungen selbst entstehen. Wenn Zweifel entstehen, hilft das
Folgende: Formuliert eure Vorstellung ganz klar in einer
Weise, daß man sie erforschen kann, also als eine
BEHAUPTUNG (Fachausdrücke 5: 11). Dann prüft diese
Behauptung draußen in der Natur – oder macht einen
Versuch, vielleicht in einem Teich, der mit dem natürlichen
Wasser gefüllt ist. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt viele
Möglichkeiten, Versuche zu machen, um eine
Behauptung zu prüfen – also zu prüfen, ob sie richtig
oder falsch ist oder ob sie weder richtig noch falsch ist,
oder ob sie vielleicht so aufgestellt ist, daß sie nicht
geprüft werden kann. Das letzte wäre dann un-
geschickt gehandelt, denn man läuft in eine Sackgasse.

>>doch auch eine solche Ungeschicklichkeit wäre ganz natürlich,
sie kann vorkommen, und sie hilft, besser zu verstehen.

>>Verwechselt nicht Vorstellungen, die aus dem täglichen Leben
stammen, mit solchen, die während des Forschens
entstehen.

>>In den nächsten Wochen habt ihr zuerst die Aufgabe nur im Kopf,
macht nicht so viel Praktisches. Fahrt mit einem Boot auf dem
Geroner zurück nach Abyssál und macht in unregelmäßiger
Weise vom Schiff aus Beobachtungen, möglichst viele,
seid ganz aufmerksam. Und macht euch ein Bild, eine
Vorstellung vom Geroner von Ekro Krinath bis nach
Abyssál und schließlich bis ins Meer. Entwickelt das Gefühl,
als seiet ihr selbst der Fluß, als schwömmet ihr mit dem
Wasser, als drehtet ihr euch mit den Wirbeln und so weiter.

>>Aus diesem Bild pflückt ihr Behauptungen heraus, die ihr zum
Verstehen nötig habt, und prüft sie. Um sie zu
prüfen, müssen die Behauptungen ganz klar
formuliert werden, eindeutig.

>>Was heißt hier prüfen? Beobachtet die Sache, die ihr behauptet,
immer wieder, macht ein Schema daraus, bleibt dabei.
Was heißt das? Ihr müsst nun das Beobachten ganz
strengen Regeln unterwerfen, damit alles Beobachten
derselben Sache unter gleichen Bedingungen erfolgt, damit
ihr die Beobachtungen nebeneinander stellen könnt.
Wenn ihr diese Bedingung erfüllt habt, dann könnt
ihr sehen, was von Mal zu Mal doch noch anders ist.
Das deutet auf bisher nicht gesehene Einflüsse, die es
weiter zu erforschen gilt. So nähert ihr euch
einem wahrhaftigen Bild der Natur.

>>Ihr werdet aber nie ein vollständiges Bild der Natur bekommen,
da Bilder immer etwas Einfaches bleiben, die Natur selbst
aber unendlich kompliziert ist, ich sage „unendlich“.

>>Bei den Vorstellungen löst euch von den Vorstellungen,die euch
die Gesellschaft immer wieder geben will, haltet euch
rein davon! Man neigt leicht dazu, die Vorstellungen
der Gesellschaft für absolut richtig und natürlich zu halten,
was sie aber nicht sind, denn die Gesellschaft ist durchaus
künstlich und hat nichts mit dem Natürlichen zu tun.

>>Forschen ist eine geistige Aufgabe, bei der sich die Forscher sehr
rein halten müssen.

>>Wenn die Forschungen den höchsten Stand erreicht haben,
müssen sie ohne Vorstellungen auskommen können, das
ist das ferne Ziel. Doch wird auch dies kaum zu erreichen
sein, nur in Einzelfällen. (Fachausdrücke 5: 14)

>>Diese geistigen Methoden für die Forschung müsst ihr noch weiter
entwickeln, ich gebe euch hier nur erste Anregungen.
Diese Entwicklungen gehören mit zu euren Aufgaben.

>>In den Pavitrani habt ihr aber Methoden gelernt, den Geist in
einem reinen Raum zu halten, das war der Anfang,
und so muß es bleiben.

>>Ich will, daß alle Teilnehmer an den königlichen Forschungs-
aufgaben zu den Pavitrani gehen, um ähnliche Erfahrungen zu
machen wie ihr. Wer das nicht will, soll nicht als Forscherin
oder Forscher angesehen werden.

>>Wir werden eine eigene Forscherakademie in Abyssál gründen,
in der die Forscherinnen und Forscher in einer reinen
Umgebung leben können. Sie sollen zwar das äußere
Leben in allen Aspekten kennen, aber sie sollen sich immer
wieder in die Akademie zurückziehen können, die unter
meinem besonderen Schutz steht.Und sie sollen
geistig rein und klarlinig bleiben, sich von dem Leben „da
draußen“ nicht verwirren lassen, ihren Geist nicht
zerreißen lassen.

>>Diese Akademie soll sich bald zu einer Forscher-Stadt ausweiten.
Sie soll die geistige Heimat der Forscher sein,
in die sie sich immer zurückziehen werden.

>>Als ersten Bau werdet ihr ein Haus für euer Arbeiten bauen.
Daraus kann dann in Jahren die Akademie entstehen.

>>In diesem Haus oder in nächster Nachbarschaft sollt ihr wohnen.
Alles wird vom König zur Verfügung gestellt – ebenso
Räume, in denen ihr allein oder zusammen still sitzen
könnt, also eine Art Tempel. Dort kann jede und jeder
die eigene Gottheit verehren – oder auch keine Gottheit oder
keine Verehrung, es darf deswegen nie Streit geben. Richtet
euch alles selbst ein, damit es den Erfordernissen eurer
Aufgabe gerecht wird.

>>Für Bau und Erweiterung dieses Hauses und der Akademie nehmt
eine Architektin in eure Gruppe auf. Ich möchte, daß diese
Aufgabe von einer Frau wahrgenommen wird, da Frauen
besser verstehen, was benötigt wird.

>>Beim Forschen wünschen wir, das die Vorstellungen und die
Ergebnisse des Forschens OBJEKTIV (Fachausdrücke 5: 12)
sind, das heißt sie sollen nicht aus euren persönlichen
Meinungen und Wünschen stammen. Vollständig ist das
zwar unmöglich zu erreichen, doch ihr sollt das anstreben.
Dieses Streben ist eine eurer wichtigen Aufgaben.

>>Wenn erst Frauen in eurer Gruppe sein werden, werden sie gegen
einige meiner Bemerkungen protestieren. Meine Bemerkungen
sind nämlich männlicher Herkunft. Wenn ihr aber mit eurer
ganzen Gruppe – so viele Frauen wie Männer – wieder zu mir
kommen werdet, wird auch meine Frau dabei sitzen, und ich
glaube, sie wird den fraulichen Teil zu meinen
Bemerkungen beitragen.


Die Königin hat drei Frauen ausgesucht, die mit uns reisen sollen, vielleicht mögen sie später auch in die Forschergruppe eintreten. Masna war sehr willkommen, obwohl noch niemand weiß, ob sie zu den Forschungen beitragen wird. Sie selbst hat vieles nicht verstanden und hält sich sehr zurück. Mir scheint, ihr ist das alles zu viel, und es war nicht das, was sie sich gedacht hatte, als sie mit Pariman gegangen war.



–> KAPPA 2.2 Vorbereitungen, die Forschergruppe

Und dann sagte der König:

>>Ich habe meine Pläne etwas geändert. Wichtiger als das Meer
sind erstmal die Flüsse. Ich will, daß ihr den Geroner von
Ekro Krinath aus bis in die Bucht von Ghanorinth hinein
erforscht. Falls ihr jedoch Lust habt, sei es euch frei gestellt,
ab und zu auch weiter ins Meer hinaus zu reisen und dort zu
forschen. Das ergänzt eure Erfahrungen vielleicht.

>>Ich habe gesehen, daß der Geroner ein wichtiges Fahrwasser für
die Schiffahrt werden wird, wichtiger als bisher, denn der
Überseehandel dehnt sich aus.

eines der Dranu-Boote aus dem Lande Umbrar im tiefen Süden,
mit denen meistens mit Bernstein gehandelt wird, im
Austausch gegen Brenn-Kristalle aus dem Alan Glazinian.


>>Die Schiffe werden größer werden, doch auch die Fischerei wird
zunehmen. Achtet auf beides, denn sie mögen sich gegeneinander
schädigen, und das muß vermieden werden. Findet später
einen guten Mittelweg für unsere Planungen.Ich
möchte mich auf euren Rat verlassen können.

>>Vielleicht werden wir das Flußbett des Geroner an einigen Stellen
tiefer legen und seitwärts einengen müssen (Fachausdrücke
5: 10). Wie wir das machen können und was das für Folgen
haben wird, das zu erforschen wird eine spätere Aufgabe
für euch sein, bedenkt es aber schon jetzt bei euren
Arbeiten: was könnte geschehen, wenn wir das
Flußbett verändern.

>>Es könnte sein, daß dieses Gebiet des Geroner zwischen Ekro
Krinath und dem Meer eine besondere Naturerscheinung
ist, die von den ansässigen Fischern als „das Estho“
bezeichnet wird. Ich denke mir, daß ihr als
erstes dieses Estho erforschen sollt
(Fachausdrücke 5: 22, 44).

>>Zu diesem Zweck mögt ihr daran denken, in Sandkastenspielen
den Geroner nachzuahmen, damit ihr im Kleinen seht,
was im Großen ist. Doch bedenkt dabei: manches lässt
sich nicht verkleinern, besonders die schon sehr kleinen
Schlamm-Teilchen nicht. Es gibt wahrscheinlich keine
kleineren Teilchen, die man im Sandkastenspiel
als Miniatur-Schlamm nehmen könnte.

>>Soweit seht ihr meine gesamte Idee.

>>Nun aber sage ich euch etwas zu euren Forschungen selbst:
Ihr sollt mir immer Bericht erstatten, etwa zwei Mal im Jahr.


Alles wird mitgeschrieben und in unser Rotes Buch übertragen, in das des Königs Bemerkungen und andere besondere Erkenntnisse – wie die von Nawain – aufgenommen werden. Das Buch über unsere Reise ist aber noch ein anderes, das wir in den Höhlen der Zwerge im Alan Kala-Ben begonnen hatten. Es ist das Grüne Buch. Nun schreiben wir schon in den vierten Band dieses Grünen Buches.

Wir reisen auf einem Schiff von Ekro Krinath nach Abyssál. Auf dem Schiff machen wir unsere ersten Beobachtungen. Wir reisen über fünf Tage lang, denn wir lassen uns vom Strom treiben ohne Segel oder Ruder zu benutzen. Es sind immerhin 24 lomische Meilen (entspricht 53 km europäisch) Flußlänge zwischen den beiden Städten.



Unter-KAPPA 2.2.1 Erste Berichte

Das also ist das Estho. Wir übernehmen diesen Begriff als die Bezeichnung des Übergangsgewässers zwischen dem Fluß und dem Meer. Denn schon bei den ersten Fahrten merken wir, wie anders dieses Gewässer ist als der reine Fluß und das reine Meer, und es verdient einen eigenen Namen (Fachausdrücke 5: 44).

Diese Karte umschreibt das Land Aklanpa und insbesondere
das Estho, in dem der Geroner-Bericht spielt.
Die Skala am unteren Rand kennzeichnet 4 x 10 lomische Meilen.
Das Himmelsrichtungs-Kreuz ist genordet. Dunkel gezeichnet
die Gebirge. Die Spitzen der Berge Kerlion, Balnkasen und
Alan Umbrar seht ihr als dicke Punkte eingetragen, die Linien
dazwischen sind Peil-Linien für die Seefahrt, ähnlich die Peil-Linie
zwischen den Kaps Nananianh und Umbran.Sie sind in Verbindung 
mit dem Kompass und seinen Peilungen zu benutzen.


Die Ufer und der Fluß:
Noch in Sichtweite von Ekro Krinath {Minas Tirith} sind östlich die Ausläufer des Alan Gratz (Fachausdrücke 5: 53), westlich die Ausläufer des Alan Glazinian (Fachausdrücke 5: 54) zu sehen. Am Ende des Glazinian ragt der Krinassi-Berg hoch, auf dem seit ein paar Jahren ein Beobachtungsturm steht, auf dem auch ein Feuer brennt, tags mit Rauch, nachts mit hellem Schein – es dient den Reisenden auf dem Wasser und zu Lande zur Orientierung. In friedlichen Zeiten ist er für jeden Menschen geöffnet, um die weite Aussicht zu genießen und das Land kennen zu lernen. Ähnliche Türme werden auf den Südspitzen des Alan Gratz und des Alan Gratz-ki erbaut (Fachausdrücke 5: 55).

Noch unter den alten Mauern der Stadt ist eine kleine Stromschnelle, wir vermuten, daß dort ein flacher Felsrücken am Boden liegt, ein letzter östlicher Ausläufer des Alan Glazinian, oder eine unterirdische Fels-Verbindung zwischen dem Glazinian- und dem Gratz-Gebirge.

Hier ist der Hafen. Doch der wichtige Überseehafen des Reiches ist in Abyssál. Ekro Krinath dehnt sich entlang des Flusses noch weitere 1½ Meilen aus, hier sind schöne neuere Häuser, ein paar Schlösser und private und öffentliche Parks. Dann kommen Weinfelder an den Hängen des Krinassi-Berges.

Was meine ich mit Schlösser? Besonders schöne, meistens große Gebäude, in denen hohe Staatsdiener und überhaupt reiche Menschen wohnen. Mehr aber gibt es dort Museen, Konzerträume, Festräume, Schulen, Akademien oder ähnliches, die jedem Menschen zugängig sind, und in denen alle Menschen genießen können.

An der Ostseite des Flusses (am linken Ufer) sind Viehweiden und weiter landeinwärts Felder, ein paar Dörfer gibt es dort, einige sind Fischersiedlungen. Doch weiter seewärts säumen nur noch Schilfwälder den Fluß, sie sind umso ausgedehnter, je mehr wir uns dem Meere nähern.

15 Meilen meerwärts von Ekro Krinath trennt sich der Fluß in zwei Arme, und auf der so entstandenen Insel gibt es ein paar kleine Fischersiedlungen.

25 Meilen meerwärts von Ekro Krinath trennt sich der Fluß abermals, und es entstehen die Insel Khand und zwei mächtige Flußarme, die sich weiter meerwärts noch weiter aufteilen. Auch hier finden wir überall Fischersiedlungen, doch auch weite Schilfwälder.

An ihrem südwestlichen Ende ist die Khand-Insel unbesiedelt, doch von dichten Pappeln- und Erlenwäldern bedeckt und von zahllosen kleinen Kanälen durchzogen. Hier gibt es auch weite Strände, und wie wir mal dichter heran treiben, sehen wir: es sind dort große Baumleichen angeschwemmt.

Alle diese Inseln bestehen wie die Ufergebiete aus Sand und – wo keine Wasserströmung ist – aus Schlamm.

Wenige Meilen bevor wir Abyssál erreichen, nähern sich wieder Viehweiden dem rechten Ufer, und wir entdecken einige Bauern- und Fischerdörfer. Gegenüber (das heißt südlich) von Abyssál liegen die Balnkasen, ein Berg auf einer langen Insel.

Entlang dieser ganzen Strecke leben viele Fischer vom Fang, sie benutzen lange Netze, die sie von zwei oder mehreren verankerten Booten aus im Wasser hängen haben. Die Boote sind mit viel Fantasie bunt bemalt, manche ahmen Tiere nach, sehen mit großen Augen den Fluß entlang oder in die Tiefe. Manche haben ein oder zwei Flossen an jeder Seite – wie ein Fisch.

In der Nähe der Dörfer stehen Wälder von Stellnetzen am Ufer, sie hängen still an bunten Holzstangen, die in Reihen quer zum Ufer stehen und mit einem Geflecht von Seilen verbunden sind. Sie sehen aus wie ein großes Gewirr von Spinnennetzen.

Überall sehen wir auch Handelsschiffe den Fluß quellwärts oder seewärts fahren. Die Seeleute machen spöttische Bemerkungen über unsere Art der Seefahrt: wir lassen unser Boot ja treiben ohne Segel oder Ruder zu benutzen, und das erscheint einem Seemann sehr ungewöhnlich und gefährlich. Diese Schiffe nutzen einmal die Strömung bei Flut landeinwärts, bei Ebbe meerwärts. Doch Segel und Ruder nutzen sie zur Korrektur, Segel auch zum Antrieb, wenn der Wind günstig steht.

Die Fischer benutzen ähnliche Schiffe um ihre Ware zu verteilen, besonders in die Städte.

Und schließlich treffen wir immer wieder Boote, die den Strom queren, sie verbinden die beiden Ufer. Nach den Gesetzen der Seefahrt müssen sie uns ausweichen, da wir eine königliche Standarte tragen. So können wir unsere Forschungen vom treibenden Schiff aus ungestört fortsetzen.


Die Strömungen: Wir lassen unser Schiff – das auch solche Seiten-Flossen hat – mit den Strömungen treiben. Die Flossen werden ins Wasser hinab gelassen und halten das Schiff an den Strömungen fest. Wir sehen hier wieder etwas, das wir noch nicht richtig verstehen – wir haben´s bisher nur am Belgur-See etwas genauer beobachtet: Die Strömung geht nicht etwa nur von den Quellen über den Fluß ins Meer sondern wird im regelmäßigen Wechsel meerwärts und landeinwärts, quellwärts getrieben. Das nennen die Seeleute und Fischer „Ebbe“ beziehungsweise „Flut“. Es gibt also drei Strömungen, die sich überlagern: die Strömung des Flusses selbst, die Ebbe-Strömung und die Flut-Strömung. Und ein Viertes sind die Wirbel, die sich allenthalben bilden, aber wir sind nicht in der Lage, die Wirbel zu verstehen. Wir sehen aber, daß durch das Verwirbeln an den Ufern eine entgegengesetzte Strömungsrichtung besteht – entgegen der Strömung in der Flußmitte. Auch das hatten wir schon am Belgur-See gesehen.

Fünftens haben wir die Vermutung, sehen es aber nicht, daß Wasser von der Oberfläche nach unten sinkt oder von unten an die Oberfläche aufsteigt. Ein Sechstes können wir auf der Reise auch nicht beobachten, doch wir sahen es vorher im Hafen von Ekro Krinath: der Wasserstand steigt während der Flutzeit und fällt mit der Ebbezeit. Der Unterschied beträgt 1½ Mannshöhen (Fachausdrücke 5: 15), in Abyssál aber nur 1 Mannshöhe.

Wir sind bei beginnender Ebbeströmung (also etwa beim höchsten Wasserstand, Genaueres dazu unter Fachausdrücke 5: 59) von Ekro Krinath losgefahren und treiben eine lange Strecke meerwärts, doch nach 8 Stunden wird diese Strömung sehr schwach und dreht sich nach 9 Stunden schließlich um, nun treibt unser Boot wieder quellwärts (das Flußbett hinauf, in Richtung zur Quelle). Nach weiteren 4 Stunden treibt es uns weiter in Richtung Meer. Insgesamt nun schon 13 Stunden.

Jetzt treiben wir nur noch 8½ Stunden meerwärts, danach wieder 4½ Stunden landeinwärts. Und so geht es weiter bis wir nach vielen solchen Wendungen schließlich in den Hafen von Abyssál reinsegeln. Von Mal zu Mal dauert die Flut-Strömung länger bis sie schließlich bei Abyssál fast so lang dauert wie die Ebbe-Strömung, nur noch ½ Stunde Unterschied finden wir. Und wir vermuten, daß diese ½ Stunde Unterschied erzeugt wird von der reinen Fluß-Strömung. Und die Strömungen sind schwächer, fast geschieht nichts mehr.

Das ist nur diese eine Beobachtung, wahrscheinlich ist aber alles viel verwirrender. Wenn ich Vermutung schreibe, werden wir daraus eine „Behauptung“ formulieren, diese prüfen und das Ergebnis der Prüfung als „Beweis“ nehmen. Der Beweis steht entweder für die Richtigkeit oder Falschheit der Behauptung. Dennoch: die Erfahrung ist uns das Wichtigste.

Solche Behauptungen werden wir auch aus noch weiteren Beobachtungen formulieren, um sie genauer zu prüfen. Zum Beispiel haben wir uns vorgenommen, solche Fahrten zu wiederholen um zu sehen, ob unsere Beobachtungen nur einmal vorkamen oder sich immer wieder ergeben. So verfeinern sich unsere Beobachtungsergebnisse immer mehr. Denn erst wenn sich eine Beobachtung häufig wiederholt, wird unsere Beschreibung immer feiner und wahrscheinlicher. Und erst dann können wir sehen, wie es kommt, daß das Ergebnis dennoch nicht immer ganz gleich ausfällt und die Beschreibung nur ungefähr stimmt. Wir erkennen dann noch weitere Ursachen für das, was wir da draußen sehen und schließlich messen.


Die Wassertiefen: Wir haben ein Seil mit Marken in regelmäßigen Abständen (2 Ellen) mitgenommen und ein Bleigewicht daran gehängt. Damit messen wir immer die Wassertiefe. Bald merken wir, daß sie in der Mitte des Stromes am größten ist, und wir versuchen mit leichten Manövern das Boot immer in der Mitte zu halten, um dort die Tiefen zu messen. Dieses ist das erste Mal, daß wir während unserer Forschungen etwas „messen“. Es ist schwierig, genau zu wissen, wo wir jeweils sind, und wir können bestimmte Beobachtungen nicht einfach in die Karte einzeichnen, die auf dem Schiff bereit liegt.

Deswegen planen wir, in Abständen von 1 Meile entlang des Ufers Schilder aufstellen zu lassen, auf denen der Meilen-Abstand vom Hafen von Ekro Krinath als große Zahl aufgemalt ist.

Wo das Flußbett breiter wird oder sich verzweigt, finden wir, daß es in der Mitte etwas flacher ist als weiter nach Ekro Krinath hin.


Der Untergrund: Der Anregung eines alten Seemanns folgend, haben wir an der Unterseite des Bleigewichtes ein Loch eingelassen, das im Durchmesser wie ein Fingerglied ist und einen Kleinen Finger lang ist. In das Loch schmieren wir Talg (Fachausdrücke 5: 3). Beim Loten – das ist der Seemanns-Ausdruck für die Tiefe Messen – finden wir oft etwas vom Grund – Sand oder Kies oder Ton oder Muschelschalen –, besonders wenn wir das Gewicht unten fest aufstoßen. So erkennen wir, daß der Grund in der Mitte des Flusses aus Sand oder Kies besteht, dem Rand zu aber tonige oder gar schlammige Stellen hat.


Die Farben des Wassers: Bei Ekro Krinath ist das Wasser glasklar. Im Gebiet von Abyssál aber gibt es eine eigenartige Sache: Kurz nachdem die Flut begonnen hat, wird das Wasser trübe, um so trüber, je näher wir dem Ufer sind und je weiter wir uns Abyssál nähern (Fachausdrücke 5: 1). Doch nach einer halben Stunde wird es wieder klar. Wir haben die Vermutung – doch das ist eine vage Vorstellung, die wir prüfen wollen –, daß nahe dem Ufer die neue Flut-Strömung so stark auf schlammigen Boden trifft, daß erstmal Schlamm aufgewirbelt wird, der sich schnell wieder zu Boden absetzt – wieso, gilt es auch zu erforschen. Und dieser Schlamm trübt das Wasser.

Ton? damit bezeichnen die Seeleute einen sehr feinen Schlamm, in dem weiter keine Stengel, Blätter, Muschelschalen oder anderes ist. Ton ist sehr rein, und er wird vielfach für die Töpferei benutzt. Allerdings gibt es auch an Land viel Ton, besonders in alten Flußbetten. Dort wird er dann gefördert und an die Töpferei-Industrie weiter gegeben.  Später haben wir weiter seewärts in den Tiefen einen Ton gefunden, der nach dem Brand schneeweiß ist. Wegen der großen Entfernung von Land ist die Förderung aufwendig, und die weißen Tonwaren sind sehr wertvoll.
 

Die Salzigkeit: Bekanntlich ist Meerwasser sehr salzig. Wenn man es trinkt, kann man es zur Darmreinigung benutzen, da sehr bald Durchfall auftritt. Dennoch haben wir entlang der ganzen Fahrtstrecke das Wasser probiert und finden, daß es einige Meilen vor dem Erreichen Abyssáls leicht salzig ist und umso salziger, je mehr wir uns Abyssál nähern. Ob das vielleicht anzeigt, wie viele Anteile Fluß- und wie viele Anteile Meerwasser an dieser Stelle sind? Wir wollen diese Vermutung schnell prüfen, denn eine solche Aussage könnte die Grundlage für weitere Erkenntnisse sein.


Die Veränderungen mit dem Treiben: Die ganze Strecke von Ekro Kriniath nach Abyssál treiben wir scheinbar (!) in demselben Wasser, wir nennen dieses einen Wasserbatzen (Fachausdrücke 5: 34). Wir denken zunächst, daß wir die ganze Strecke lang auf demselben Wasserbatzen treiben. Doch zeigen unsere Beobachtungen, daß in eben diesem selben Wasserbatzen Veränderungen passieren. Das ist eigenartig: denn einerseits bleiben wir im selben Batzen, bewegen uns nicht hinaus, fahren nicht weg. Doch andererseits verändert er sich selbst: wir schmecken, daß er salziger wird, je weiter wir uns dem Hafen von Abyssál nähern, doch wenn wir den Strom wieder hinauf getrieben werden, also quellwärts, wird er wieder weniger salzig. Nun setzt wieder unser Denken ein: was ist der Grund? wir können uns das nur erklären, daß das Wasser im Batzen sich mit anderem Wasser vermischt ohne daß wir es sehen.

Auch wird das Wasser im Batzen abwechselnd trüber oder klarer. Auch hier bleibt uns anfangs nur das Denken: entweder vermischt sich unser Wasser mit anderem, das trüber oder klarer ist, oder irgendwie wird Schlamm aufgewirbelt, der das Wasser trübt. Und tatsächlich: gelegentlich beobachten wir wie dicke Schlammwolken aus den Tiefen des Flußbettes an die Wasseroberfläche schießen und sich ausbreiten. Und dann wird das Wasser trübe. Einerseits geschieht das, wenn wir in Ufernähe gelangen. Andererseits sind diese Schlammwolken besonders auffällig kurz bevor die Ebbe zu Ende geht und die quellwärts gerichtete Flutströmung beginnt. Wahrscheinlich beginnt die Flutströmung als ein Stoß am Grund, und dann zeigt sich das folgende Bild:

so ungefähr sah es aus, doch nun mal scharf gezeigt:

wir sehen auf die Wasseroberfläche und beobachten
das Aufquellen von sehr trübem (Ton-trübem) Tiefenwasser,
das kleine Bild zeigt, was in Wirklichkeit über drei Ellen lang und zwei Ellen breit ist.
In der Mitte schießt das trübe Wasser hoch, und wie es sich nach den Seiten
ausbreitet, wird es klarer: vielleicht vermischt es sich mit dem klareren
Oberflächenwasser oder Schwebteilchen sinken schon wieder nach unten.


Die Wärme: Das reine Flußwasser ist etwas wärmer als das gemischte Wasser bei Abyssál. Doch das ist schwer abzuschätzen, da nur unsere Hände und Zungen die Wärme empfinden können.


Die Tiere: Das Flußwasser führt jedoch Blätter, Stroh, Zweige und dergleichen an der Oberfläche mit. Wenn sich aus dergleichem Material schwimmende Inseln gebildet haben, sitzen gelegentlich Wasserhühner darauf und lassen sich mit treiben. Doch manche Vögel haben auch ihre Nester auf diesen Inseln gebaut. Außer den bereits erwähnten Vögeln haben wir sehr viele Tiere gesehen, mehr als gewöhnlich an Land. Überall stoßen weiße spitzflüglige Vögel ins Wasser, um kleine silbrige Fischchen heraus zu holen und weg zu tragen, vielleicht zu ihrem Nest. – Große schwarze Vögel tauchen tief ins Wasser und holen schlangenartige Fische heraus, wie wir es schon in der langen Bucht des Belgur-Sees gesehen hatten.

Ich zitiere hier nochmal unseren alten Berichtstext vom Belgur: KAPPA 1.2: „Schwarze Vögel mit einer glänzend weißen Haube auf dem Kopf schwimmen auf dem Wasser, halten den Kopf aber immer wieder ins Wasser bis sie etwas sehen, was sie fangen wollen, tauchen flink und kommen mit einem Fisch im Schnabel wieder nach oben. Wir überlegen, man müsste ihnen einen Ring um den Hals legen, so daß sie den Fisch nicht verschlingen können, und ihnen den Fisch abnehmen. Später höre ich, daß einige Fischerdörfer in dieser Gegend so verfahren.“ – Zahllose Enten, Schwäne, Gänse und andere schwimmen auf dem Wasser, lassen sich mit treiben und fliegen wieder landeinwärts. Manchmal kommen sie und lassen sich füttern, oder sie möchten mit uns schnäbeln, was ja mangels menschlicher Schnäbel schwierig ist. – Es ist hier unmöglich, allen Vögeln gerecht zu werden, die wir sehen. Nachts hören wir viele Vögel, doch wir können die Schreie nicht zuordnen.

Im Wasser sehen wir Fische und Krebse, doch umso weniger Fische und Krebse je mehr wir uns Abyssál nähern – wieso, wollen wir noch erkunden. Doch ist das eine wesentliche Frage?

An manchen Stellen sind viele Mücken in der Luft, die uns stechen wollen. Auch Bremsen kommen, Schmetterlinge und andere Landinsekten.

Mehr kann ich hier über die Tiere nicht mitteilen. Von Fischern werden wir uns noch einiges berichten lassen.



Unter-KAPPA 2.2.2. Die Gruppe

Wir sind wie gesagt vier Frauen und fünf Männer auf dem Boot – die Männer sind die Gruppe, die schon seit einem Jahr zusammen ist. Von den Frauen weiß Masna noch immer nicht, ob sie der Gruppe beitreten will, vielleicht wenn sie besser krinisch gelernt hat. Außerdem sind noch sieben Seeleute an Bord. Die vier Frauen haben keine Ausbildung in den natürlichen Kenntnisschaften, stammen aber aus Familien, die mit Fischerei und Seefahrt zu tun haben oder – wie es mit Masna steht – mit Schafe hüten, sie kennt das Gebirge mit seinen Sturzbächen und Seen und Gletschern. Diese Frauen wissen daher vieles über die Natur des Wassers, mehr als wir Männer. Auch ihre Art zu beobachten und das, was sie gesehen haben, zu beschreiben ist meistens ein wenig anders als bei uns Männern. Das haben wir erwartet und gewünscht.

Haben nun die Frauen hier etwas anderes gesehen? Nein, sagt Ermini, deine Beschreibungen sind schön und hilfreich zum ersten Verstehen. Ich möchte aus deinen Beschreibungen Bilder malen, ich möchte das alles in Bildern darstellen, mal sehen, was dabei herauskommt.




–> KAPPA 2.3 Weitere Berichte und Beobachtungen

Unter-KAPPA 2.3.1 Am Hafen
Nun beschließen wir, an einem Schiffsanleger an der Hafenmole den Strom weiter zu beobachten. Sieben von uns Forscherinnen und Forschern setzen sich an den Strom und beobachten einfach und notieren, was wir sehen. Ermini aber malt das Strömen von einem Turm aus, der vor dem Hafen weit draußen im Strom steht. Masna ist bei ihr, denn sie liebt die Blicke aus der Höhe. Viele Aquarelle entstehen, eine Serie beschreibt die Zeit vom Niedrigwasser über die Flut bis zum Hochwasser, also über – wir erschrecken – über 4½ Stunden, und danach. Das ist kürzer als während unserer Herfahrt, da waren es 6½ Stunden. Wie kommt das?



"Ermini´s Leuchtturm" von Abyssál



Wir beschließen, die Strömungen und die Wasserstände über eine lange Zeit zu beobachten und aufzuschreiben.

Nun zu Ermini´s Bildern : Als der Wasserstand am niedrigsten war, stand das Wasser still. Doch wie die Flut-Strömung begann, tauchten erst Flecken, dann lange Streifen von Schaum auf. Auch sah sie wieder, wie das Wasser für eine kurze Zeit trüber war, besonders an den Ufern (Fachausdrücke 5: 1). Einen Keil bildend zogen sich zwei Schaumstreifen mit der Flutströmung, wobei die Spitze quellwärts zeigte. Im Keil war die Wasseroberfläche hell und glatt, doch an den Seiten, außerhalb des Keils, war sie dunkler und kraus. Das hatte sie von ihrem erhöhten Platz aus gesehen. Als das Wasser am höchsten stand, war es wieder still und glatt, aber dunkel. Es schien, als ob das Wasser nun tiefgründiger sei, so dunkel war es. Der Schaum-.Keil blieb noch einige Zeit erhalten, doch als vom Fluß her die Strömung der Ebbe einsetzte, verwirbelte sich das Bild, der Keil verschwand.

Flutkeil (der weiße Schaum) mit den Balnkasen im
Hintergrund, vom Leuchtturm von Abyssál aus.
So etwa sieht es aus, doch dieses Bild ist eine grobe Skizze,
nicht aus Ermini´s geschickter Hand sondern von meiner.


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Ermini´s Aquarelle, die Streifen usw

Dann wendete sich die Strömungsrichtung wieder meerwärts. Die Oberfläche war nun ölig glatt, doch es bildeten sich große Kreisflächen, die sich drehten, alle im selben Sinn, rechts herum. Es schien, daß in der Mitte solcher Kreisflächen Wasser nach oben quoll. Diese ganze Erscheinung floß meerwärts ab.

zwei Wirbel aufquellenden Wassers, vom Leuchtturm aus gesehen.

Als während der Flut-Zeit die Schaumstreifen erschienen, sah Ermini weiße Vögel, die über dem Schaum schwebten und ab und zu hinab stießen – wie die weißen Vögel, die wir schon früher silberne Fischchen herausholen sahen.

Sie sah auch, daß Richtung und Höhe der Sonne das Bild beeinflußte. Es gelang ihr aber nicht, das im Aquarell darzustellen.

Immer wieder versuchte Ermini uns zu zu winken und auf besondere Erscheinungen hin zu weisen. Doch wir sahen fast nichts von dem, was sie sah. Unser Platz liegt zu niedrig. Doch die Vögel können wir besser beobachten, wie sie auf und abfliegen, Kreise in der Luft drehen, sich ins Wasser stürzen, wieder aufsteigen und riskante Flugfiguren fliegen, miteinander wettstreitend.


Unter-KAPPA 2.3.2. Meerwärts

Nun wollen wir meerwärts von Abyssál fahren. Für diese Fahrt nehmen wir uns zehn Tage, es ist dasselbe Boot und es sind dieselben Leute. Doch es begleitet uns noch eine Frau, Anandi, die Karten machen kann und auch aus der Seefahrer-Akademie ist. Sie nimmt – wie Ermini – viel Papier und Stifte mit. Das Wetter ist windig, und obwohl der Wind warm ist, wird es uns kalt.

Wieder beobachten wir in der Weise wie während der Fahrt von Ekro Krinath nach Abyssál, doch wir lassen das Schiff nicht treiben sondern segeln eine bestimmte Strecke. Wir zeichnen die folgenden Beobachtungen auf:


Die Ufer: Der Strom weitet sich nun und hat eine Breite von 2 bis 5 Meilen und später noch mehr. Weite Schilfwälder stehen auf beiden Seiten, doch es gibt Inseln, auf denen auch kleine Baumgruppen stehen, manche Inseln tragen auch niedrigen Wald (Fachausdrücke 5: 2). Im Strom tauchen immer mehr Inseln auf, die ganz kahl und sandig sind oder auf denen nur einzelne verkrüppelte Bäume stehen. Wir haben den Eindruck, daß die sandigen Inseln wandern, während die bewaldeten am Ort bleiben. Vielleicht halten sie sich an einem Felsen fest, der unter der Wasseroberfläche liegt.

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die Blicke über das Estho, Inseln, Wald darauf


Weit draußen – 4o lomische Meilen meerwärts von Ekro Krinath – steht die Insel Balnkasen . Ein steiler und hoher Berg kröhnt sie. Zwischen diesem Berg und einerseits dem Kerlion als auch andererseits dem Alan Umbrar denken wir uns zwei Linien, die wir als Wegmarken nehmen – wie es bei den Seefahrern üblich ist. Diese drei Berge sind auf der Karte durch je einen schwarzen Punkt angegeben.


Balnkasen
Oben von Süden aus gesehen, hinter dem Inselberg liegt Abyssál,
ganz hinten links seht ihr die Berge des Alan Kala-Ben.
Unten von Westen aus gesehen


Der Blick aufs ferne Alan Kala-Ben erinnert uns Männer der ersten Wochen an die Fahrt zu den Pavitrani-Tempeln. Wir fragen uns nun, ob wir tatsächlich das Gelernte in unser Forschen einbringen, und sehen ein, daß wir nicht wach genug sind: oft träume ich vor mich hin und tue meine Arbeit recht mechanisch – das war nicht das Ziel unserer Reise damals.

Nun gelangen wir ins Meer, etwa dort, wo wir vor 1 ½ Jahren schon mal waren. Zwischen der Insel Nanania und dem Kap Umbrár denken wir uns eine weitere Linie zur Orientierung. Meerwärts von dieser Linie ist das Offene Meer, wir sehen kein Land mehr.


Die Strömungen und Wirbel: Je weiter wir uns dem Meer nähern, desto schwächer werden die Strömungen, die durch Ebbe und Flut hervorgerufen werden. Von der Flußströmung merken wir bald nichts mehr, doch wir sollten die Strömungen genauer messen, wissen nur nicht, wie. Mainot, einer unserer Mit-Forscher, beginnt immer mehr Begeisterung zu entwickeln, Geräte zu erdenken und auf zu zeichnen, mit denen wir Strömungen und anderes messen könnten.

Was wir aber weiter draußen sehen, sind große Wasserwirbel, vor denen wir Angst haben, denn wir wissen nicht, was sie mit unserem Schiff machen, schließlich könnte der Wind nachlassen und uns den Wirbeln ausliefern. Wir versuchen sie zu umgehen, doch sie wandern schneller als wir. Ich muß an die Geschichte denken, wie sich jemand in einem Gebirgsfluß den starken Wirbeln ausgeliefert hat und heil wieder ausgespien wurde. Ob das hier auch so geht?


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großer Wirbel

Der Wind ist schwach und hält uns nicht auf unserem Kurs. Ein Wirbel kommt an und dreht unser Schiff so schnell, daß wir das Großsegel fallen lassen müssen. Ich frage mich, wie die Schiffer auf den großen Seglern mit so etwas umgehen. Gondas, der alte Kapitän beginnt alte Geschichten zu erzählen, in denen es wirklich gefährlich wurde. Einmal sei er mit einem kleinen Flachbodenschiff bei schwerem Sturm in einen solchen Wirbel geraten; das Schiff sei ganz schnell gedreht worden und weil sie nicht so schnell die Segelstellung an die ständig wechselnde Lage anpassen konnten, sei schließlich der Mast gebrochen und alle Segel hätten wirr auf dem Deck und im Wasser gelegen. Nun hatte der Wind keinen Einfluß mehr, und obwohl das Schiff wie bei einem schweren Erdbeben geschüttelt wurde und alles – Ladung, die Kombüse, die Betten – durcheinander geworfen wurde, warf der Wirbel das Schiff schnell seitwärts raus und der nachlassende Wind trieb es langsam an den Strand, wo es mit flachem Kiel auflief und gerettet war.

Wir denken über diese Geschichten nach und merken: es geht um zwei verschiedene Formen von Wirbeln: erstens solche, bei denen Wasser in der Mitte an die Oberfläche aufsteigt und seitwärts verschwindet. Das ist der Wirbeltyp, dem das Flachbodenschiff zum Opfer fiel.

Und zweitens solche, in denen das Wasser an der Oberfläche nach innen gezogen wird und nach unten verschwindet. Ich erinnere an die folgende Bemerkung: "Ich muß an die Geschichte denken, wie sich jemand in einem Gebirgsfluß schwimmend den starken Wasserwirbeln ausgeliefert hat und heil seitwärts wieder ausgespien wurde."

Außerdem drehen sich manche Wirbel rechts, andere links herum. Doch wir verstehen nicht, was das bedeutet. Im Fluß denken wir uns, daß die Form des Flußbetts die Wirbelrichtung lenkt.



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zwei Typen von Wirbeln


Mit dem Tiefenwasser, das in der Wirbelmitte an der Oberfläche sichtbar wird, werden Schlamm – wie wir schon weiter quellwärts von Abyssál beobachteten – und Lebewesen nach oben getragen. Doch hier ist kaum Schlamm am Boden, die Wirbel trüben das Wasser kaum. (Fachausdrücke 5: 67)

Manchmal sehen wir Wirbel der zweiten Sorte, die Wasser in ihrer Mitte von der Oberfläche nach unten ziehen. Schwimmende Teile wie Holzstückchen und Schaum reichern sich hier an, und das Wasser ist an diesen Stellen übersät mit ihnen und wirkt dreckig. Doch ich sah auch mal, wie Baumäste nach unten gezogen wurden, das war unheimlich! Es schien, als wehrten sie sich gegen den Sog, und manche mussten schließlich nachgeben und verschwanden. Ich war froh, hier nicht zu schwimmen und hatte Angst, daß es so große und starke Wirbel gebe, daß sie unser Schiff erfassen könnten. Doch Gondas sagt, das hätte er noch nie gehört oder gesehen.


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Baumstamm wird nach unten gezogen

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im Wirbel aufquellender Schlamm

An einer Stelle sahen wir, wie solche Baumstämme an die Oberfläche schossen – der Wirbel hatte sie seitwärts wieder ausgespien. An so einer Stelle schlotterten wir vor Angst, daß so ein Stamm unser Schiff von unten treffen könnte und versuchten, schnell wegzufahren.


Die Tiefen: Wo der Strom schmal ist, ist es tief, manchmal bis zu 6 Mannshöhen, an einigen Stellen auch noch mehr. Doch wo der Strom breit ist, messen wir meist nur 1½ Mannshöhen. Anders ist es zwischen Balnkasen und dem Alan Kala-Ben: nahe bei den Ufern ist es bis zu 5 Mannshöhen tief, in der Mitte des Stromes aber ist es flacher, 2 Mannshöhen, und dazwischen liegen Sandbänke. Noch weiter meerwärts wird es tiefer, und das Flußbett ist zu Ende. So stellt sich uns die Form des Bettes dar, obwohl wir nur wenige Messungen gemacht haben. Doch auf den Seekarten ist es ebenso vermerkt.



Der Untergrund: Wir finden fast nur Sand. Doch nahe dem Ufer bei Balnkasen und südöstlich des Alan Kala-Ben sehen wir im Wasser festen Fels, und wir vermuten, daß er sich im Wasser – auch unter dem Sand – fortsetzt, denn wir finden keine Spuren im Loch unseres Lotes, und wenn wir mit dem Lot unten aufstoßen, klingt es hart, also ist der Grund fest.


Die Farben des Wassers: Das Wasser ist erst mittelblau, doch zwischen den beiden Bergen wird es dunkler bis es meerwärts die Farbe des Meerwassers annimmt: dunkelblau, jedenfalls bei Sonnenschein. Außer in der Gegend von Abyssál, wo der Strom noch schmal ist, ist das Wasser nie mehr trübe. Auch meerwärts von Abyssál machen wir eine gleiche Beobachtung wie weiter quellwärts, daß das Wasser sich nämlich nahe den Ufern bei beginnender Flut-Strömung trübt doch bald wieder klar wird. Wir haben nun einen Glasbecher mit, schöpfen Wasser hinein und sehen genauer, wie trübe es ist. Und wir sehen, was die Trübung verursacht: sehr feine braune Teilchen schwimmen im Wasser. Doch wenn wir das Glas abstellen, wird es bald wieder klar, die trübenden Teilchen sinken zu Boden – darauf weist uns einer der Seeleute hin. Er sagt, über diese Sache wüßten die Fischer viel mehr zu berichten.


Die Salzigkeit: Das Wasser wird immer salziger, je mehr wir uns dem Meer nähern. Wir sehen bestätigt, daß die Salzigkeit anzeigt, wie viele Anteile Fluß- und wie viele Anteile Meerwasser an dieser Stelle sind. Doch müssen wir das noch genauer untersuchen und durchdenken.


Die Wärme: Das Wasser wird zum Meer hin kühler.


Die Tiere: Wir sehen hauptsächlich Vögel, doch je weiter wie ins Meer fahren, desto weniger. Auch sind es andere Arten als im Gebiet zwischen den Ufern. Die kleinen Segel, von denen ich am Anfang berichtete, sehen wir diesmal nicht. Ermini macht Skizzen mit der Feder und einige Farbskizzen mit Aquarellfarbe. Wir sammeln aber keine Tiere oder Pflanzen für Ermini´s Arbeiten – mit einer Ausnahme: wir finden die Leiche eines wunderschönen Vogels auf der Wasseroberfläche treiben, die wir mitnehmen. Sie wird uns noch sehr beschäftigen. Zuhause legen wir den Vogel in einen kühlen Keller, in den man Eis aus dem letzten Winter gelegt hat.


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Vogelleiche


Wir sehen Fische, die aus dem Wasser springen und sich wieder hineinfallen lassen, sie sehen wie eine große viereckige, seitwärts spitz verlängerte Platte aus und ziehen einen langen dünnen Schwanz hinter sich durch die Luft. Wenn sie wieder auftreffen, spritzt viel Wasser hoch und es gibt ein großes platschendes Getöse. (Fachausdrücke 5: 19). Allerdings ist es uns erstmal nicht klar, ob das wirklich Fische sind.


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springende Rochen

Auf den Sandbänken sonnen sich allerlei große Tiere, die wir zusammengefasst "Robben" nennen. Ich kenne einige Meerestiere aus Büchern, und so ist es schön, sie hier das erste Mal lebendig zu sehen und mit Namen zu kennen. Die kleinsten Robben, die sich dort sonnen, sind nur etwas länger als eine Mannshöhe. Doch andere sind so groß, daß sie ihren Kopf eine Mannshöhe hoch aufrecken, besonders wenn sie ihren weit tönenden dunklen Ruf ausstoßen. Die größten haben einen massiv dicken Körper, aus dem mit Borsten umgebenen Mund hängen zwei lange gebogene Zähne heraus. Wie uns später eine Fischersfrau erzählt, brechen sie damit Muscheln zur Nahrung vom Grund los. Obwohl die meisten Robben schlicht dunkelgrau aussehen, gibt es welche, die große gelbe Flecken auf dem Fell haben und auf dem Kopf eine Haube, die sie aufrichten können, oder die seitwärts abgeklappt ist. (Fachausdrücke 5: 2o)


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Robbenbank


Die Forschergruppe: Anandi, die Frau, die Karten zeichnen kann, wird nun Mitglied unserer Forschergruppe. Sie hat eine lange Ausbildung bei den berühmtesten Kartenzeichnern von ganz Aklanpa (Fachausdrücke 5: 67) hinter sich. Wir freuen uns, daß sie bei uns sein will.


Das Ergebnis: Nun haben wir einen kleinen Überblick über die ganze Fluß-Länge von Ekro Krinath bis zum Meer. Wir glauben jetzt, dieses Gebiet zu kennen, es ist uns ein wenig vertraut geworden – doch schon am Ende dieser Reise lehrt uns der Fluß etwas anderes: es kommt nämlich ein heftiger Sturm auf, der vom Süden her in den Mündungstrichter hinein bläst.



Unter-KAPPA 2.3.3. Der Sturm
Mühsam versuchen unsere Seeleute den Rest Wind auszunutzen, der uns von Norden her schwach entgegen weht. Wir müssen kreuzen, das heißt, wir lassen den Wind mal von der rechten Seite, dann wieder von der linken Seite ins Segel wehen und müssen hierzu immer wieder den Kurs ändern: im Zickzack bewegen wir uns sehr langsam in den Flußtrichter hinein. Da sehen wir, wie sich im Süden hohe Wolkentürme bilden, die an der unteren Seite schwarz sind. Es sieht grausam aus. Aus dem unteren Rand kommt etwas wie eine breite graue Wolkenwalze heraus und fliegt auf uns zu, sie ist so breit, daß sie von unserem linken zum rechten Sichtfeld reicht. Besonders die Seeleute, die dergleichen kennen, ahnen Schlimmes und machen sich bereit, die Segel fallen zu lassen. Es beginnt zu regnen, einfach und noch sachte, doch dann wird der Regen stärker.


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im Sturm

Und dann kommt es, ein Schaumstreifen tobt unter der Walze von hinten, vom Meer her auf uns zu – doch noch immer weht dieser schwache Wind von Norden, und es regnet noch immer. Nun ist der Streifen nur noch eine halbe Meile entfernt. Die Seeleute nehmen alle Segel herunter bis auf das kleine ganz vorne, sie wollen damit das Boot vom Wind in den Fluß hinein ziehen lassen, doch nicht eben schnell.

Plötzlich ist alles da: der Regen hört auf, ein spitzer Windstoß kommt als erstes, und dann der Sturm. Das Boot wird erst vorne vom Wind ins Wasser gedrückt und bäumt sich dann auf, wie es schneller wird und auf den nachfolgenden Wellen reitend nach Norden rast. Wir sind umweht von Schaum. Zwei Männer am Ruder hatten sich vorher festgebunden, nun arbeiten sie hart, damit wir nicht quer schlagen. Alle müssen sich ganz fest halten, und alles beobachten, was kommt: damit der Kurs beibehalten wird, damit uns kein anderes Schiff in den Weg fährt, damit wir nicht auf einen schwimmenden Baumstamm auffahren ...

Doch wir beobachten auch die neuartige Natur:
Die Ufer selbst sind fast nicht mehr zu sehen, außer wenn wir in ihre Nähe kommen. Doch einmal erscheint ein ganz klarer Blick rechts neben unserem Kurs - wie in einem Fenster zwischen den Gischt-Fahnen um uns herum: ein Ufer, an dem spritzen die Wellen hoch und weiß auf, gefährlich nahe – doch gleich verschwindet das Bild wieder in der Gischt, die das Schiff umgibt.

Die Strömung war vorher meerwärts gerichtet. Doch wie der Sturm kommt, bäumt sich das Wasser auf und für eine kurze Zeit spritzt und schäumt es, bis die Strömung vom Wind umgekehrt ist und mit dem Sturm in den Flußtrichter hinein rast. Das Aufbäumen war es, was wir zuerst als Schaumstreifen von weitem ankommen sahen.

Die Farbe des Wassers wird nun schwarz, von vielen Schaumstreifen netzförmig überzogen. Nein, das Wasser können wir nicht prüfen, doch das Meer sieht von oben schwarz aus. Oben ist fast alles ebenso schwarz geworden, aber niedrige leuchtend helle Wolkenfetzen rasen unter einer höher gelegenen dunkelgrauen Wolkenschicht über uns weg. Das Heulen des Sturmes ist scharf und gräßlich, es scheint als ob schlimme Geister mit dabei sind, die alles zerfetzen wollen.

Die Salzigkeit: Alles ist salzig, die in der Luft fliegende Gischt drängt sich in den Mund und die Augen, Bärte und Hände: alles schmeckt salzig. Also – schließt Granina wild lachend – ist das Wasser auch salzig!

Die Tiere: Als der Sturm erst in der Ferne zu sehen war, flogen viele Vögel hoch, so entfernten sie sich aus dem Bereich der kommenden Gischt. Manche sahen wir noch hoch oben kreisen, doch wir vermuten, daß sie am Ende über die Sturmwolken hinauf gestiegen sind. Nur manche düster-dunkle lang- und spitzflügelige Vögel bleiben, ihnen scheint es Spaß zu machen, in der fliegenden Gischt ganz dicht über die Wellen und die Wellentäler zu streichen und mit ihren gelben Schnäbeln Meertiere zu suchen. Es scheint, daß vom Sturm manche Tiere an die Oberfläche getrieben werden, die diese Vögel nun schnappen. Wir nennen sie Sturmjäger (Fachwörter 5: 23).

ein Sturmjäger


Noch bevor der Sturm begann, retteten sich kleine grau-grüne Landvögel auf unser Schiff und verkrochen sich in Ecken und Löcher. Es rührt uns an, ihnen diesen Unterschlupf geben zu können und wir passen auf, daß wir sie nicht aufschrecken. Später, als der Sturm sich verzogen hatte, setzten sich einige von ihnen auf Mast und Seile und sangen – wie zum Dank – ihre süßen Lieder ..., welch ein Kontrast! (Fachwörter 5: 66)

Das Ergebnis: Mit dem Ende des Tages endet der Sturm wieder, die Reste des Windes treiben uns vor vollen Segeln wieder in die Strommündung hinein, wir können einen guten Ankerplatz finden. Noch ist der Himmel schwarz, und diese Schwärze geht schnell in die Nacht über. Wir können nicht weiter segeln, da nichts zu sehen ist. Alle bleiben wach und wollen die Wieder-Öffnung des Himmels und das Wieder-Erscheinen des Mondes erleben, der noch vor Sonnenaufgang auf dem Rücken liegend als schmale Sichel zwischen den letzten Wolken auftaucht.

Bei Sonnenaufgang segeln wir schließlich weiter in Richtung Abyssál. Der Sturm hatte das Wasser aufgewühlt, und man sieht es noch immer: es ist an manchen Stellen braun geworden von aufgewühltem Schlamm. Wir erkennen, daß es viele Schlammgegenden geben muß, von denen wir nichts wissen. Doch wir finden auch Wasserbatzen, die klar sind, sie waren wohl nicht in solchen Schlammgegenden geflossen als der Sturm brauste. Die Vögel sind wieder angekommen und leben wir immer. Meerestiere sehen wir nun nicht, nur Meerespflanzen, die die Brandung abgerissen hatte und die an der Oberfläche treiben – gelb und grün, andere braun. Obwohl wir schnell durch´s Wasser segeln, geht es gegenüber dem Land (Fachausdrücke 5: 24) sehr langsam vorwärts, denn die Strömung geht schneller als vorher in Richtung Meer, vielleicht hatte der Sturm viel Wasser in die Mündung gedrückt, das nun wieder abfließt. Die Strömung hält uns fest, wir können fast nicht gegenan segeln, so daß wir bald beschließen, wieder zu ankern um zu warten, bis sie nachläßt.

Ein neuer Begriff: Während der Fahrt entdecken wir, daß alles zwischen Ekro Krinath und der Meeresbucht von Ghanorin einen einheitlichen Namen verdient, wir nennen diesen gemeinsamen Teil des Flusses und des Meeres ”ESTHO” (Fachausdrücke 5: 22), das soll das Mündungsgebiet eines Flusses bezeichnen, also hier hieße es das ”Estho Geroner”. Später merken wir, daß unsere Kenntnisschaft die ”Estho-Lehre” heißen muß und das Wort von den Fischern stammt.



Karte des Estho (natürliches Estho)


Und wir, die Seeleute und Forscher? Der Sturm überfiel uns am Tag und alles war zu überblicken. Doch wäre es Nacht gewesen, ich glaube, wir hätten furchtbare Angst bekommen. Das Schiff wiegte sich wie eine Kinderwiege, als wir auf dem Sturm in den Flußtrichter hinein segelten, und wir genossen dieses Schaukeln. Die Frauen juchzten und schrien laut gegen den Sturm an und mochten am liebsten mit ihm fliegen. Es war wie eine volle Ekstase, die wir mit den ganzen Körpern genossen. Die Luft war warm, wir froren nicht obwohl alles naß war. Die Kleider der Frauen waren nachher schneller wieder trocken als unsere Männerhosen: wie der Sturm nachließ, weht der Wind um und unter die flatternden Kleider und trocknete sie, doch die Hosen lagen noch lange naß am Körper an.

Für die Forschergruppe ist dieses eine Prüfung: was können wir aushalten? Niemand ist angstvoll oder ärgerlich geworden. Wir haben auch diese Selbstdarstellung des Meeres ertragen und annehmen können. Sie wird Teil unserer Erfahrungen. Wieder hat sich ein Stück Meer in unseren Seelen eingenistet.



Unter-KAPPA 2.3.4. Abyssál, sein Hafen und der geplante Platz für die Akademie

Abyssál ist eine uralte Hafenstadt, sie hieß vordem Abyssálion {davor Pelagir, auch Pelargir}. Sie liegt am nordöstlichen Ufer des Geroner, etwa 4o Meilen auf dem Fluß meerwärts von Ekro Krinath (das entspricht 88 km europäisch). Bis zur offenen See sind es nochmal 8o Meilen, das heißt bis zu einer geraden Linie zwischen dem Kap Umbrán und Kap Nananianh. Auf beiden Kaps stehen hohe Türme mit einem Feuer auf der Spitze, die gut als Peilmarken genutzt werden können.

Das Hafenbecken hat schon von alters her eine ovale Form und zwei Einfahrten. In das Becken ragen einige Brücken hinein, die auf Pfählen stehen. An ihnen legen die Schiffe an. Die Strömungen können somit ohne Hinderung durch Schiffe oder Molen durch das Becken streichen.

Durch die östliche Einfahrt strömt die Ebbeströmung ein, durch die westliche aus. Bei Ebbe entsteht im ovalen Becken eine rechts kreisende Wirbelströmung, die das Becken am Rand tief hält. In der Mitte jedoch lagern sich Sand oder Schlick ab – je nach dem, ob die Ströme stark beziehungsweise schwach sind. Die von der Ebbeströmung aufgewirbelten Ablagerungen werden mit der Ebbeströmung durch die westliche Einfahrt in das Estho hinaus getragen. Die Ablagerungen in der Mitte aber werden regelmäßig mit einem Bagger heraus geschöpft. Der Bagger steht auf einer runden Plattform am Ende einer der Brücken, die auf Pfählen ruht. Das ausgeschöpfte Material wird an Land abgelagert und bildet einen fruchtbaren Boden für die Landwirtschaft.

Was ist ein „Bagger“? Die Hafenbehörde hat seit alten Zeiten ein Holzgestell auf der Plattform errichtet, an dem ein langer Baumstamm schräg nach oben weisend befestigt ist. An seinem Ende ist eine Rolle, über die ein Seil läuft, an dem unten ein großer Eiseneimer hängt. Wenn einige Leute oder Ochsen an dem Seil ziehen, wird der Eimer über den Grund geschleift, und Schlamm wird in ihm aufgeschöpft. Den Schlamm holen sie dann raus und leeren ihn in eine Schute, ein breites Lastboot, die ihn ans Ufer bringt.

An einer Stelle überkreuzen sich die Ströme, und hier halten sich die Ablagerungen besonders tief, da die ausgehende Strömung unter der eingehenden Strömung durchstreicht. Zu diesem Zweck haben die Steinufer eine besondere Form bekommen, durch die die Strömung auf die genannte Weise gelenkt wird.

Bei Flut streichen die Ströme an den Einfahrten vorbei und können somit kaum Ablagerungen in das Becken hinein tragen. Auch trägt das Flutwasser weniger Schwebstoffe als das Ebbewasser.



Flut, oben die Windrose, genordet




Ebbe, oben die Windrose, genordet

Flutströme und Ebbeströme am Hafen Abyssál. Die Karte weist nach
rechts flußwärts = quellwärts. Dieses ist eine
grobe Skizze, die Hafen-Bauwerke sind aber sehr genau ausgebaut,
so daß bei Flut im Hafen fast keine Strömung ist, bei Ebbe aber.
Dadurch werden abgesetzte Schlämme mit der Ebbeströmung
ins Estho hinausgetragen und das Becken bleibt schiffbar.
In der Mitte steht ein Bagger auf der Brücken-Nock, mit
dem der in der Mitte angehäufte Schlamm regelmäßig
herausgeholt wird.
Entwurf, Bau und Skizze von der Hafenbehörde.












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402b – Viertens – KAPPA 2.3 - 2.6

Unter-KAPPA 2.3.5. Die Suche am Strand, die Kinder von Pavitr´landi

Nicht nur das Meer hat sich in unseren Seelen und Gedanken eingenistet. Wir Menschen in der Gruppe sind einander so nahe gekommen, daß wir uns wie Geschwister vorkommen. So nahe und bei solchen Gefahren zusammen auf einem kleinen Schiff zu leben, das bringt einander nahe. Drei Tage nach dem Sturm kommen wir in Abyssál an. Schon vorher hatten wir das Schiff aufgeräumt, wie es sein muß. Lange saßen wir alle zusammen und räumten auch unsere Gedanken auf und machten Notizen – aus meinen Notizen ist dieser Bericht entstanden.

Jemand hatte den Gedanken, daß der Sturm vieles an die Strände angeschwemmt haben muß. Wir gingen am nächsten Tag los um zu sehen, was es da gab. Wir teilten uns in drei Gruppen. Gondas, Ermini und Anandi sollen die Gruppen organisieren und anführen. Die Gruppen:


>>Kranandi, zweite Zeichnerin, Granina, die stille Fischerstochter
aus dem Umbrár, Gondas, der Ältere, und Aryaman, der Autor
dieses Berichtes. Wir fahren mit einem Mietboot hinüber
auf die Khand-Insel und wandern entlang des Strandes
südwestwärts.

>>Ermini, die Malerin, Amani, die Erforscherin der Tiere im Meer,
Masna, die Ghân, und Pariman, der Denker wandern
südwestwärts von Abyssál am Strand entlang.

>>Anandi, die Kartenzeichnerin, Randai, die Architektin, Gonfalas,
Gondas´Sohn, und Mainot, der Techniker. Diese vier
fahren mit einem Mietboot an den Strand von Ghanorinth,
dort wo wir vor zwei Jahren unsere
erste Vorbereitung hatten.


Granina ist wie ich Mitte zwanzig. Wir hocken auf dem Deck des Fährbootes einander gegenüber und sehen uns in die Augen. Auf der Sturm-Reise erlebten wir beide, nebeneinander auf einem Lukendeckel sitzend, wie das Wasser uns übersprühte und Haare und Kleidung durchnäßte, salzig durchnäßte. Mit einer Hand hielten wir uns fest, mit der anderen hielten wir uns zusammen. Es war zwar warm, doch durch die Nässe froren wir etwas. Granina ging schließlich und machte für alle ein heißes Getränk. Ihre Haare lösten sich im Sturm und umwehten ihren Kopf, den ganzen Oberkörper. Als sie wieder neben mir saß, wickelten wir uns beide in ihre Haare. Meine sind kurz geschnitten und taugen nicht als Sturm-Schutz. Es gab nichts zu tun, und wir gaben uns ganz unserem Zusammensein hin. Nun, auf dem Fähr-Deck hockend kommen mir Tränen vor Freude. Ich liebe es immer wieder, mit einer Frau zu sein. Dieses Gefühl durchläuft meinen ganzen Körper und ist meine Lebensart. In ihre Augen sehend weine ich, sie nimmt mein Gesicht zwischen ihre Hände und hält es ganz nahe an ihres. Oh, diese Nähe!

Granina ist wie verschmolzen mit dem Meer und seinen Stürmen und Stillen. Sie ist zu uns gekommen, weil sie das Meer und seine Bewohner liebt, und weil sie uns in diese Erlebnisse hineinführen will. Mit ganzem Leib und ganzer Seele gibt sie sich in diese Aufgabe hinein. Ohne die Begegnungen mit Granina, der stillen Fischerstochter, würde ich das Wasser nicht so tief erleben.

Wir sehen Gondas, wie er mit der jungen Kranandi, zweite Zeichnerin, eine ähnliche Nähe erlebt wie Granina und ich. Kranandi hockt auf seinem Schoß, wie er mit übergeschlagenen Beinen an Deck sitzt. Auch sie sehen einander in die Augen, und vieles geschieht da.

Nach 4 Meilen Fahrt erreichen wir am nächsten Tag die Insel Khand westlich der langen West-Bucht. Neben Notizbüchern tragen wir Gerätschaft für´s Aquarellmalen, Essen und Trinken und Decken für die Nacht mit uns. Am Strand finden wir tatsächlich vieles, das der Sturm angeschwemmt hat. Tote Vögel, Fische, Krebse und andere Wesen, von denen wir nicht einmal recht wissen, ob es Tiere, Pflanzen oder anderes sind. Auch liegen da Baumstämme, Zweige, Bündel von Schilf, eine ganze Schiffsladung mit Säcken voller naß gewordenem Reis – ist wohl über Deck gespült worden – liegt am Strand aufgereiht ... Das flußwärtige Ende der Insel liegt sieben Meilen entfernt, das können wir unmöglich bewandern. So gehen wir nur zwei Tage an den Stränden entlang und kehren dann um.

Immerhin bekommen wir ein Gefühl dafür, was es alles auf dem Wasser gibt - und einiges, was im Wasser ist.

Doch je weiter wir nach Westen wandern, desto mehr Dinge sind aus dem Meer angespült. Von den Lebewesen, die wahrscheinlich aus dem Meer stammen, machen wir schnell Skizzen, zu denen Kranandi uns anleitet. Für sie allein wäre das zu viel. Es liegen da auch schöne Schneckenhäuser, Muscheln, Korallen und anderes. Ab und zu nimmt jemand ein Stück um sich damit zu schmücken – wir hocken uns im Kreis um das Stück und bitten erst das Meer und dann das Teil, das wir mitnehmen möchten, uns Genehmigung zu geben. Granina besteht auf diesem Ritual, denn sie sagt, eigentlich gehört uns das doch nicht, wir müssen doch nicht alles mitnehmen, wir sind keine Hamster, die das Korn sammeln, weil sie sonst im Winter verhungern müssten.

Ganz weit im Südwesten – am zweiten Tag – sehen wir auf dem Strand etwas Großes liegen, wahrscheinlich ein Boot. Uns rennen Leute entgegen, die von dem Boot kommen, sieben Kinder um 11 und 12 Jahre. Sie sind mit dem Boot gestrandet. Ihre Kleider sind zerrissen, und sie bitten zuerst nach Wasser und etwas zu essen. Wir fragen, doch mehr Leute waren nicht im Boot. Sie sind vom Sturm gestrandet worden. Nun kehren wir um und gehen so schnell wie es geht zurück zu unserem Boot. Eine Nacht müssen wir noch hier bleiben, der Weg ist zu weit. Vom Strand sammeln wir Holz und machen ein großes Feuer, damit sich alle aufwärmen können.

Die Kinder erzählen uns ihre Geschichte. Sie waren ausgesegelt, um Balnkalden zu sammeln, die nur auf der Balnkasen wachsen. Ihr Bericht ist aber sehr unklar, außerdem hatten wir noch nie davon gehört. Deswegen zitiere ich aus Marthén´s Buch über seinen Besuch bei den Pavitrani-Tempeln:


>>Ein leichter Duft streicht durch die Bäume, ein unbekannter
süßer Duft; die anderen sagen, das seien Räucher-Kräuter,
die sie Balnkalden nennen. Die Kräuter wachsen nur auf
der Insel Balnkasen, die weit draußen im Meer liegt.

>>Nur Kinder bis zwölf Jahren dürfen die Balnkalden ernten, ja
nur sie dürfen überhaupt zu der Insel segeln. Keine
Erwachsenen dürfen auch nur auf dem Boot sein.
Anderenfalls werden die Balnkalden entweiht, und
dann macht ihr Duft die Menschen verrückt. Das kann
aber niemand am Duft unterscheiden – also weißt du nie,
ob du bei diesem Duft verrückt wirst oder seine
Segnungen erfährst. Und für die Kinder ist das sehr
schwer, obwohl sie im Segeln geübt sind.
Schon manches Mal mußten sie umkehren oder sind
gekentert und waren verloren.

>>Die Balnkalden werden nur in den Tempeln von Pavitrani
gebrannt. Und manche sagen, wer den Duft in seiner
reinen Form lange einatmet, wird selbst ganz rein
– also ganz frei.
.


Sie sind von einem Dorf los gesegelt, das den Balnkasen gegenüber liegt. Ihr Dorf heißt etwa Pavitr´landi (genau ist das nicht zu verstehen) und ist eigentlich ein kleines Fischerdorf, doch diese uralte Aufgabe, die Balnkalden zu holen, üben die Leute auch aus. Nun sind die Kinder sehr verwirrt, mit dem plötzlichen Sturm hatten sie nicht gerechnet, und sie wissen nicht, wie sie nach Hause kommen können, sie wissen nicht, wo sie sind. Sie hoffen, daß sie mit uns mitreisen dürfen. Auch sprechen sie eine Sprache, die nur Granina versteht.

Sie scheinen zu demselben Volk zu gehören wie die Leute, die wir am Südende des Alan Kala-Ben getroffen hatten. Ihre Haut ist dunkelbraun, und die Haare sind schwarz und lang. Als sie abreisten, trugen sie lange dunkelblaue Hemden – wie die Pavinen –, doch davon sind ihnen nur noch Fetzen geblieben.

Wir sitzen am Feuer, wir haben den Kindern Kleidung umgewickelt, und ihnen scheint es nun sehr gemütlich zu sein. Nach einiger Zeit beginnen sie leise zu singen, Lieder, in denen von Booten erzählt wird, von den Fischen und anderen Meerestieren, von den Stürmen und den schönen Abenden am Strand, wenn sie am Morgen die Sonne über dem Meer aufgehen sehen, wenn zur Tag- und Nachtgleiche die Sonne hinter dem Berg der Balnkasen erscheint.

Am nächsten Abend gelangen wir nach Abyssál. Ein paar Tage später finden wir durch Granina´s Mühen ein Fischerboot, das die Kinder in ihr Dorf zurück bringt. Sie waren noch gar nicht auf den Balnkasen gelandet und kommen nun mit total leeren Händen zurück. Zum Ausgleich erzählen wir, wo wir vor zwei Jahren unser Boot versteckt hatten, sie können´s nun nehmen, wenn es noch da ist. Später hören wir, daß sie das Boot tatsächlich gefunden und übernommen haben.

Die beiden anderen Strandforscher-Gruppen kamen auch bald. Das Ergebnis unserer Suche war reich: viele angeschwemmte und gestorbene Tiere und einige Pflanzen haben wir gesehen, notiert und gezeichnet. Ermini hat auch vieles gemalt, doch eher skizzenhaft, da sie so viel fand.

Die Gruppe um Anandi war ja in der Nähe von Pavitr´landi gewesen und hatte von dem Verlust der Kinder gehört. Die Dorfleute hatten schon mit den Vorbereitungen für ein großes Trauer-Ritual begonnen, denn sie hatten keine Aussicht mehr, ihre Kinder wieder zu sehen. Wie Gonfalas erzählte, wird für jedes Kind ein hoher Turm von Blumen errichtet, der in einem Feuer verbrennt. Nach dem Verbrennen des Turmes haben die Angehörigen das Gefühl, als sei nun eine Lebensphase zu Ende gegangen, und die Seele der Verstorbenen kann nun in ein neues Leben eintreten, nämlich wieder im selben Dorf.





KAPPA 2.4 Technische Ideen und Vorbereitungen


Ein paar Tage nach der Heimkehr treffen wir uns in einem sehr nüchternen Raum im Haus der Akademie:

Zuerst macht Pariman klar,
>>Wir können das, was wir finden und erkennen, in bunten Bildern
und Zeichnungen darstellen. Doch ich denke, wir müssen
ganz klar machen, daß es für unser Verstehen auch gut ist,
wenn wir Zahlen benutzen.

>>Zahlen sind etwas ganz Eindeutiges und Klares. Sie sind klarer als
Gemaltes. Gemaltes bringt uns näher an die Natur, mit Zahlen
aber können wir die Natur sozusagen in kleine, regelmäßige Kästchen
einteilen. Vielleicht gibt das dem Blick auf die Natur
mehr Übersicht.

>>Beide Methoden sind gleich wichtig. Genauso wie Frauliches
und Männliches gleich wichtig sind. Mir scheint es, daß Frauliches
für Bilder, Männliches für Zahlen steht. Erst die Verbindung
oder Verschmelzung beider gibt uns die ersten wahren
Einblicke in die Natur. Oder die Vereinigung – so wie erst die
Vereinigung von Fraulichem und Männlichem das
wahre Menschliche ergibt.


Mit den Anregungen von Mainot beginnen wir die Überlegungen über die Techniken, die wir benutzen wollen. Mainot beginnt die erste Versammlung mit folgenden Worten, die niedergeschrieben und dem König gesandt werden:

>>Die Königin und der König von Krinaniath und den Vereinigten
Reichen von Aklanpa gaben uns den ehrenvollen
Auftrag, den großen Fluß Geroner von Ekro Krinath
bis in die Krinische Bucht (Bucht von Ghanorinth)
hinein zu erforschen. Der Sinn ist einmal, für unser
Königshaus und für das Reich die Kenntnis zu verbreitern
und zum anderen, die Grundlagen zu schaffen für die
späteren Verbesserungen dieses Flußabschnittes für eine
Schiffahrt mit größeren Schiffen (Fachausdrücke 5: 10).

>>Besonders der Königin ist es sehr wichtig, daß keine Maßnahmen
ergriffen werden, die einseitig nur einem Zweck
dienen und dabei andere berechtigte Interessen der
Untertanen ihrer Majestäten und der Natur schädigen.

Eine der Frauen ruft dazwischen

>>He, hör mal auf, rede doch nicht so schwülstig, komm
zurück auf deine Füße, sonst redest du doch nicht so!

Mainot fährt fort:
>>Ja, du hast recht, ich lebe noch immer in einer alten Zeit.
Verzeiht mir.

>>Doch die Aussagen von Königin und König müssen so
stehen bleiben.

>>Wir wurden beauftragt, eine Forschergruppe zu gründen, die aus
gleichen Anzahlen Frauen wie Männern bestehen soll.
Wir sind jetzt sechs Frauen und fünf Männer.
Es sieht so aus, als ob wir gut miteinander arbeiten können.

>>(Natürlich kann ich nicht erwähnen,
daß unsere Gefühle uns so nahe zusammen gebracht haben)

Wieder ruft eine Frau – es ist Amani – dazwischen:

>>Das ist aber sehr unpassend, glaubst du denn, das Herrscher-
paar kennt keine Gefühle? Und glaubst du, daß ihr eigenes
Leben nicht von Gefühlen geprägt ist? Woher sonst
könnte ihr politischer Erfolg und ihre Güte kommen?

Allgemeine Zustimmung. Mainot fährt fort:

>>Ja also, dann schreibe ich das noch rein, etwa so, statt des
letzten Satzes:

>>Wir arbeiten gut miteinander und sind uns durch das
gemeinsame Erlebnis einer Sturmfahrt in der
Krinischen Bucht sehr nahe gekommen. Im Sinne
unserer Aufgabenerfüllung ist besonders
hilfreich, daß sich Frauen und Männer nicht nur sachlich
sondern auch in ihren Gefühlen in leichter Weise
austauschen. Unsere Gruppe ist dadurch offen geworden
für die feinsten Erscheinungen in der Natur,
außerdem leben wir nahezu
ego-los zusammen.

>>Bis jetzt haben wir einfach nur die Gegend kennen gelernt sowie
einige Tier- und Pflanzenformen. Und wir haben
schon einige Male gemerkt, daß wir Einrichtungen und
Methoden brauchen, mit denen wir messen können, mit
denen wir gesammelte Tiere und Pflanzen lebendig
nach Hause bringen können, um sie hier zu
untersuchen. Und wir benötigen geistige Methoden zur
Forschungsplanung und zur
Darstellung unserer Ergebnisse.

>>Wir brauchen ein Schiff – oder zwei – und wir brauchen ein Haus,
in dem wir arbeiten und später auch lehren können.
Der König hat so viel Interesse an diesem Auftrag gezeigt,
daß er uns gut mit Mitteln versehen will.

>>Nun zu den Geräten. Ich zähle mal auf, was mir während unserer
Fahrten einfiel:

1) eine Reihe von Schildern am Ufer, auf denen die Entfernungen in
1-Meilenschritten von Ekro Krinath ganz groß
geschrieben stehen. Zum Beispiel vom Hafen aus.

2) ein Archiv, in dem die Aufzeichnungen für uns alle zugänglich
aufbewahrt werden. Und ein Archivarin oder ein
Archivar, der das Archiv verwaltet und die
Aufzeichnungen ordnet.

3) ein Gerät, mit dem wir Wasser sammeln können, nicht nur
von der Oberfläche (da würde ein Eimer reichen) sondern
auch aus der Tiefe – da schlage ich vor, daß es an einem Seil
mit einem Gewicht hängt, an dem Marken sind, von denen
wir die Wassertiefe, in der das Gerät gerade ist, ablesen.
Das Gerät selbst könnte aus einer Glasflasche bestehen,
die mit einem Korken verschlossen ist, innen ist Luft; am
Korken ist ein weiteres Seil angebracht, an dem man vom Schiff
aus zieht, um Wasser in die Flasche strömen zu lassen.
(Fachausdrücke 5: 26)

4) ein Gerät, mit dem wir Sand und dergleichen vom Grund sam-
meln können. Es muß auch an einem Seil hängen, an dem
Marken sind, von denen wir die Wassertiefe, in der das Gerät
gerade ist, ablesen. Hier habe ich noch keine gute Idee, doch so
etwas wie eine Schaufel müsste es sein.

5) ein Gerät, in dem wir abschätzen können, wie durchsichtig das
Wasser ist. Ich denke einfach an ein Glas. Hinter das
Glas könnten wir ein von Ermini zu malendes Bild halten,
auf dem verschiedene Farben des Wassers aufgemalt sind.
Wir vergleichen dann Wasser und Bild und wissen, welche
Farbe das Wasser hat.

Pariman, unser Denker, macht den Einwurf:
>>Du verwechselst Farbe und Durchsichtigkeit (Fach-
ausdrücke 5: 27). Die Durchsichtigkeit ist für uns wichtig.
Die Farbe aber können wir einfach erkennen indem wir auf
den Fluß sehen. Ermini´s Bild müsste mehrere Felder haben,
die verschieden grau sind und mit Namen oder Zahlen
bezeichnet sind. Neben diese Felder halten
wir das Glas, hinter dem Glas muß ein weißes Feld sein
– oder eines, das wir erst noch ermitteln müssen.

Mainot stimmt Pariman zu.

5) eine Methode, mit dem wir Tiere und Pflanzen unversehrt nach
Hause mitbringen können – da schlage ich jedoch erstmal
vor, daß Ermini die gesammelten Gegenstände malt und wir
sie nachher liebevoll wieder ins Wasser setzen.

Granina liebt die Idee, die Tiere schnell wieder ins Wasser zurück zu setzen,

>> – denn es kann nicht unsere Aufgabe sein, Leben zu zerstören,
um es zu erforschen. Was für ein Widerspruch! Welche
Schuld tragen diese Tiere an unseren Zielen, sie zu
erforschen, wieso sind sie dafür in die Verantwortung zu
nehmen? Die Qual und der Schrecken, wenn sie aus
dem Wasser geholt werden, ist schon zu viel. Sollten wir
sie nicht als unsere Geschwister sehen?

Masna freut sich über Granina´s Bemerkung:
>>Ja, so haben wir im Ghân-Land das auch.

Auch hier stimmen alle, nicht nur die Frauen zu. Einer der Männer sagt:

>>Es ist mir tatsächlich neu, daß wir so denken können. Wir Knaben
sind wohl anders erzogen, vielleicht soldatischer oder so.
Es ist uns selbstverständlich, daß Lebendiges gequält, verletzt
und getötet werden muß, damit ...
... ja was?

>>Wir lernen die klare Antwort nie, nur: Männliches muß so sein.
Liebe Freundinnen und Freunde, es überzeugt mich sehr,
daß unsere Forschungen zuerst mal das Leben liebevoll
beschützen müssen.


Mainot fragt Anandi (die Kartenzeichnerin), welche Hilfsmittel sie benötigt, um gute Karten zu zeichnen. Sie sagt:
6) Wir sprachen schon über die Markierungen am Ufer, doch wo der
Strom sehr breit ist oder gar im Meer wird das schwierig. Auf
die Sandbänke könnte man auch solche Schilder stellen,
aber dann? Man kann doch schwimmende Fässer im Wasser
verankern, oder? Verankern an einen schweren Felsstein.
Diese Fässer könnten verschieden angemalt
sein oder auch eine Zahl tragen.

7) Was wir dringend benötigen ist ein Gerät, in das man hinein sieht
und die Ferne heranholt, vergrößert, also weiter sehen kann.
Ich habe gehört, daß es im Alan Glazinian eine Gruppe von
Zwergen gibt, die bestimmte Kristalle aus dem Berg holen,
die Kristalle schleifen und in Röhren einpassen, durch die
man sehen kann. Ich will in Ekro Krinath
Erkundigungen einholen.

8) Dann brauchen wir etwas, was die Seeleute Kompass nennen,
mit dem man ablesen kann, wo Norden ist.
Auch wenn es Wolken-trübe ist.

9) Und ein Gerät, mit dem ich sehr genau Winkel messen kann
(Fachausdrücke 5: 28).

10) Und eine Papiersorte, das sich nicht verzieht, auf das ich alles
aufzeichnen kann. Schwarze Tusche und alles,
was dazu gehört.

Mainot fragt nun:

11) wie muß eigentlich das Schiff beschaffen sein? Ich beginne mal:
Es muß ein wendiges Segelschiff sein, also mit einem großen
Segel zum Antrieb und je einem kleinen Segel vorne und
hinten für die Wendigkeit. Es muß zwei gute Anker haben
und Möglichkeiten zum Rudern. Es muß unten platt sein,
damit wir nahe ans Land fahren können. Es muß ein
Beiboot mit Segel und Ruder haben, um schnell an
Stellen zu kommen, die für das große Boot zu flach sind
und um an Land zu fahren.

Amani, die so praktisch und handwerklich eingestellt ist, ergänzt:

12) Wenn wir in Abyssál ein Haus bekommen, sollte dieses Haus im
Hafen am Wasser liegen, dort, wo auch das Schiff seinen
festen Platz hat, möglichst nahe dem Fluß.

Wie groß soll das Schiff sein, und wie viele Leute müssen mit fahren können, wie viele Seeleute brauchen wir?

Mainot sagt, das können wir hier kaum entscheiden, denn für solche Entscheidungen brauchen wir die Mitarbeit von erfahrenen Schiffbauern und Seeleuten. Doch er legt eine Skizze vor, auf der er einen Entwurf eines solchen Bootes bringt:

Das Forschungsschiff nach Mainot´s Entwurf,
es liegt gerade trocken auf dem Ufersand des Geroner-Estho.
Die Seitenbretter (Seitenschwerter) verhindern die Abdrift
beim Segeln und halten das Boot im Strom.
Die kleinen Segel vorn und achtern erleichtern das Steuern.


Er fragt, was wir noch an Geräten auf dem Wasser nötig hätten.

14) Wir müssen erkennen, wie wir Salzigkeit und Wärme messen
wollen, das muß nämlich genauer und mit besserer
Zuverlässigkeit sein als nur fühlen und Schmecken.
Ich sage euch, wie ich das meine: Vielleicht sind schon
solche geringen Veränderungen wesentlich zum Erkennen
der Naturverhältnisse, die wir nicht mit unseren Sinnen
erfassen. Außerdem hätten wir mit einem solchen Gerät
von Tag zu Tag einen Vergleich.

>>Ich weiß auch noch keinen Rat, doch wir müssten mal wieder
die Zwerge befragen. Anandi, wenn du nach Ekro Krinath reist,
kannst du die Zwerge nicht auch hiernach fragen?

Anandi meint, daß sie in Ekro Krinath nicht nach Zwergen suchen wolle sondern nach der königlichen Behörde, die sich um die Zwerge im Reich kümmere. Es gibt nämlich für jede Minderheit eine solche Behörde, die vom König angehalten ist, diesen Minderheiten mit viel Wohlwollen zu begegnen und ihnen zu helfen oder auch sich helfen zu lassen, wenn diese Völker etwas bei zu tragen haben.

Gondas sagt darauf:

>>Falls du aber dennoch zu den Zwergen in das Alan Glazinian
reisen mußt, würde ich dich gerne begleiten.

Gonfalas müsse auch mitkommen, da er der einzige ist, der durch sein Studium des Buches von Marthén über die Ghân etwas mehr weiß als wir anderen. Wann wirst du losgehen? Pariman sagt, daß auch Masna mitreisen müsse, da sie eine Ghân ist und ihre Sprache kennt. Und außerdem lieben sie sich.

Amandi will in einer Woche losgehen, lieber zu Fuß als mit dem Schiff, die Schiffe sind ihr zu langsam.

Mainot fragt, ob noch weitere Pläne zu machen sind. Pariman:

15) Es wäre wichtig, einiges über die Strömungen zu erfahren. Meine
Idee ist, ein Gerät zu entwickeln, das ich mal Strömungsflosse
nennen will. Strömung ist für mich alles zusammen, was die
Wasserbewegung im Fluß ausmacht, nämlich

Wassertransport in Menge, Richtung, Geschwindigkeit,
Wirbeln, Vermischung.

Hierzu müssen wir messen:

Stromgeschwindigkeit, das ist die Bewegung an einem
begrenzten Ort zu begrenzter Zeit,

Stromrichtung, hierfür gilt gleiches,

Zeitraum, in der das gemessen wird,

Eine Angabe, die das Wirbeln ausdrückt,

Eine Angabe, die die Vermischung ausdrückt -
vielleicht die Salzigkeit -,

Inhalte des Wassers, ich meine schwebende feste Teilchen,

Tiefe unter der Wasseroberfläche, in der wir messen, die Meßtiefe.
Oder vielleicht besser die Höhe über dem Grund.

Das bringt Pariman auf den Gedanken,
>> - der Grund verändert sich, noch mehr die Wasseroberfläche -
denkt an Flut und Ebbe und so weiter. Wir brauchen
eine Fläche oder Ebene, die immer absolut zuverlässig
gleich bleibt, und auf die wir uns immer beziehen
können.  Mir fällt dazu nichts ein, aber es sollte
in unseren Gedanken lebendig bleiben.


>>Und mir fällt gerade ein, daß wir versuchen sollten, alles in
einem großen Metallrahmen unterzubringen, der an einem
Kran hängt. Weiter weiß ich nicht. Immerhin müssten wir mal
hier, mal da messen, doch weiß ich nicht, wie das möglich ist.
Und es fehlt mir der Übergang vom Messen zum Aufzeichnen.

Mainot wird das alles zu viel, und allen ergeht es so. Nur Pariman hat Überblick:

16) Doch wer kann das bewerkstelligen? Dazu benötigen wir
viele Leute, Schiffe und Geräte. Laßt uns mit der
letzten Idee beginnen. Wir brauchen eine
eigene technische Werkstatt.

Pariman merkt plötzlich, daß wir nicht darüber gesprochen haben, WIE wir eine Untersuchung machen wollen. Er sagt:
>>Tatsächlich haben wir aber bereits mehrere Strategien angewendet:

erstens haben wir das Schiff mit der Strömung treiben lassen,

zweitens haben wir an einem Ort gesessen und beobachtet, was
vorüber fließt, und wie sich alles ändert,

drittens sind wir mit dem Schiff unter Segel einfach eine Strecke
weit entlang gefahren und haben alles gemessenen,
wie es am Schiff vorüber kam. Diese Methode haben wir
als die erkannt, die am wenigsten genau ist und
am wenigsten aussagt.

– und dann fällt mir viertens ein, daß uns noch fehlt, was links,
in der Mitte und rechts im Strom passiert, und was in
verschiedenen Jahreszeiten passiert, und was passiert,
wenn der Mond voll oder leer ist oder dazwischen ...
und noch einiges, was mir gerade nicht einfällt.

fünftens kann ich mir denken, daß wir für die erste Strategie
gleichzeitig mehrere Schiffe fahren lassen könnten (doch
das wäre zu aufwendig), und bei der zweiten Strategie
an mehreren Stellen gleichzeitig beobachten könnten,
indem wir gleichzeitig mehrere Meßrahmen –
wie ich vorhin schon sagte –
anbringen könnten, die nicht am Ufer
sondern irgendwo im Strom befestigt sind.

Deswegen müssen wir sechstens unsere Strategien erheblich ein-
schränken und auf die wesentlichen Messungen beschränken,
die uns dennoch ein gutes Bild geben.

Der Text, so wie er hier als Protokoll steht, wird dem König übersandt. Als Antwort kommt ein kurzer Glückwunsch und die Anregung, mit Mut weiter zu machen, aber auch einzuschränken, da zu Vieles die Forscher eher verwirren würde als Klarheit bringen. Es wäre notwendig, die Fragen einfach zu gestalten.

Und nochmal der Hinweis des Königs von früher:

>>Wir werden bald eine Forschungsakademie gründen, in der die
Forscherinnen und Forscher in einer reinen Umgebung
leben können. Sie sollen zwar das äußere Leben in allen
Aspekten erfahren, aber sie sollen sich auch immer wieder
in die Akademie zurückziehen können, die unter meinem
königlichen Schutz steht.

>>Die Akademie soll der Platz sein, in dem die Forscher in erster
Linie leben, vielleicht etwas weltfremd, dafür aber in
ihren staatlichen Aufgaben eingeschlossen. Die
staatlichen Aufgaben sind auch, in ihrem Wissen
und Tun ganz den Aufgaben hingegeben
zu sein und nicht gestört zu werden.

>>Als ersten Bau werdet ihr ein Haus für euer Arbeiten errichten.
Daraus kann dann in Jahren die Akademie entstehen.

>>In diesem Haus oder in der Nachbarschaft sollt ihr wohnen.
Alles wird vom König zur Verfügung gestellt – ebenso
Räume, in denen ihr allein oder zusammen still sitzen
könnt, also eine Art Tempel. Dort kann jede und
jeder die eigene Gottheit verehren — oder auch
nichts verehren. Richtet euch alles selbst ein,
damit es den Erfordernissen eurer Arbeit
gerecht wird.

>>Für Bau und Erweiterung dieses Hauses nehmt eine Architektin
in eure Gruppe auf. Ich möchte, daß diese Aufgabe
von einer Frau wahrgenommen wird, da Frauen
besser verstehen, was benötigt wird.

Bald haben wir eine Schiffswerft gefunden, die uns ein Schiff bauen will, in dem alle gewünschten Eigenschaften vereinigt werden. Eine Architektin, nämlich Randai, ist bereits bei uns tätig, sie kennt unsere Arbeiten und Ansprüche schon.

In einer Eisenwerkstatt lassen wir einen kleinen Kran bauen, der auf der Hafenmauer am Strom stehen soll, und einen weiteren, der dort stehen soll, wo das Schiff liegen wird. Und wir lassen einen kastenförmigen Rahmen aus Eisenrohren bauen, in den wir unsere Geräte einsetzen wollen, der am Kran in den Strom abgelassen werden kann. Die Eisenwerkstatt wird uns nach eigenem Entwurf einen Greifapparat herstellen, der an einem Kran auf dem Schiff hängen soll, und mit dem wir vom Grund Sand und anderes aufgreifen können (Fachausdrücke 5: 29). An dem Schiffskran können wir auch den kastenförmigen Rahmen ins Wasser ablassen.

kastenförmiger Rahmen + Sammelflasche


Die Seefahrer-Akademie wird uns die Markierungen an den Ufern errichten und – wo keine Ufer in der Nähe sind – Fässer auslegen, um die Markierungen zu tragen.

Mehrere stabile Flaschen zum Sammeln von Wasser wird uns eine Glasbläserei herstellen. Außerdem Flaschen zum Transport des gesammelten Wassers ins Haus.

Eine Methode um die Salzigkeit zu ermitteln, haben wir gefunden, doch sie ist sehr langsam: wir lassen eine genaue Wassermenge verdunsten (oder wir verkochen sie) und messen die Menge an Salz, die zurückbleibt. Von den Zwergen erwarten wir aber etwas Besseres.

Die Wärme zu ermitteln, erscheint uns das Schwierigste, wir lassen diese Aufgabe einstweilen ungelöst. Vielleicht haben auch hier die erfindungsreichen Zwerge etwas.

Als letztes denken wir an das Haus für den Anfang und an das Haus für die Akademie, die daraus entstehen soll. Randai, die Architektin wird uns ihre Ideen vorlegen.




KAPPA 2.5 Der Weg zu den Zwergen in Ekro Krinath

Anandi, Gonfalas, Gondas, Granina und Masna wandern bald los nach Ekro Krinath. Nach einer Woche sind sie angekommen und logieren in einer Herberge.

Ihr Bericht:

>>Wie wir ankommen, ist die Stadt sehr aufgeregt, denn vor dem
Tor zu den Silbernen Feldern findet eine Handels- und
Volks-Messe statt. Wir denken, daß dieses die richtige
Gelegenheit ist, um Beziehungen zu knüpfen.
Tatsächlich finden wir in großes buntes Zelt,
in dem Zwerge und Ghân-Leute

gemeinsam Kristalle anbieten, die aus dem Alan Glazinian
stammen sollen.
(über die Ghân seht Marthén´s Buch: http://ghaninrohaneins.blogspot.com/ )

>>Andere Zwerge kommen aus den Kuranian-Höhlen im Alan
Garand´h, sie haben auch Kristalle, größere und
unheimlichere. Doch die Leute aus dem Alan Glazinian
haben mehr für unser Projekt anzubieten: sie haben neue
Erfindungen, über die sie erzählen, darüber nachher.

>>Auch findet sich ein Zelt, an dem Zwerge zum ersten Mal über
ihre Eisenwagen berichten ─ unter großem Zulauf der
Bevölkerung. Zu diesem Stand hatten der König,
der Dritte Krinanon, und die lokale Fürstin der Zwerge
ihre besondere Zustimmung gegeben, beide sind an einem
Tag anwesend, um der Bevölkerung dieses ungewohnte
Projekt schmackhaft zu machen. Die Zwerge haben kleine
Modelle ihrer Wagen mitgebracht und zeigen sie vor.
Jedoch fast niemand glaubt ihnen. Es sei doch alles
Spielzeug sagen die Kriner.

>>Es waren auch Stände da, an denen über die verschiedenen
Tempel der Teribaten berichtet wird. Hier waren König und
die Königin Malawi, auch das Fürstenpaar aus dem Pavion
ebenfalls, um deren Wichtigkeit öffentlich zu betonen.
Sie riefen immer wieder die Menschen auf, die
Gelegenheiten zu nutzen, die die Teribaten bieten.
Gesunder Geist und gesunde Seele sind Voraussetzungen
zu gesundem Körper und gesundem Leben – und für eine
gesunde Volkswirtschaft! –, sagen sie immer wieder.
Auch hier haben die meisten Kriner Zweifel, ob die Seele
wirklich gereinigt werden könne – daß die Seelen voller
Schmutz sind, das glauben sie den Teribaten schon.

>>Aus Golsania {Edoras}, der Hauptstadt von Marchianth {Rohan},
werden die besten Pferde gezeigt. Die Pferdeknechte
sind bunt und festlich gekleidet und stechen damit alle
anderen aus. Von der nahebei gelegenen Wehra
{Schneeborn}-Mündung sind die lomischen Reiter
gekommen, die unter schrillem Geschrei ihre wilden
Reiterkunsstücke auf bunt behängten Pferden vorführen.
Ein Scheingefecht: ein Pferd stürzt mit seinem Reiter und beide
spielen als seien sie tot. Der Reiter setzt sich schließlich hin,
streichelt sein Tier, setzt sich drauf, und das Pferd
erhebt sich und geht mit seinem Reiter fort.

>>Selbst die Ghân sind mit würzigem Ziegenkäse, Honig,
Fellkleidung vertreten, auch eine kleine Ziegenherde
ist dabei (sie haben wohl die ganzen Sachen getragen),
aber für sie ist das nur der Rahmen für die Botschaft
ihres Meisters Ullam, die sie gerne weiter erzählen.
Obwohl sie sehr scheu sind, hatte die Königin sie
eingeladen, sich darzustellen, weil alle Völker des
Reiches sich kennen lernen sollen.

>>Diese Botschaft von Ullam wird in Marthén´s altem Buch
erläutert ( http://ghaninrohaneins.blogspot.com/ ).

Das Buch ist nun neu gedruckt worden, es wird in einem
Zelt der Regierung von Marchianth {Rohan} angeboten.
Wir erwerben ein Exemplar für unsere neue Bücherei in
der Akademie in Abyssál. Die Ghân haben eine Statue
von Ullam in diesem Zelt aufgestellt, sie schenken uns
eine kleine Statue aus Bronze für unseren Tempel,
den wir planen.

>>Vom Kap Umbran sind ─ ebenfalls scheue und schweigsame ─
Fischer gekommen, um ihre getrockneten Fische zu verkaufen, sie
waren mit ihren schnellen Segelschiffen nur drei Wochen unterwegs
gewesen. Auch bieten sie Bernsteine an.

>>Aus dem, was man früher das Schwarze Land (oder auch
Sarounth oder den Schwarzen Pfuhl) nannte, heute das
Grüne Land genannt (es liegt nördlich des Alan Gratz und
des Alan  Gratz-ki), kommen Händler mit Gemüse und
Früchten. Aber auch schwarze Obsidiane
bieten sie an,die heilende Wirkung auf die Seele
haben sollen, was aber niemand glaubt. Die Leute
lachen hämisch, denn wie kann aus einem ehemals
so schwarzen Land nach so kurzer Zeit
Heilsames kommen.

>>An den Wasser-Fällen der Geroner-Nebenflüsse im Südwesten
des Alan Garand´h (Kuranian) gibt es besondere Forellen,
die sich an den tobenden Wasserfällen trainieren und deren
Fleisch besonders lecker ist ─ ein paar schnuddelige
Bergleute bieten sie gesalzen an, doch ihr Erfolg ist
groß. Einige dieser Forellen sind in Becken und
dürfen über Stangen springen, die man über das
Wasser hält.

>>Einige verkommene Ostleute haben einen Käfig angeschleppt,
in dem zwei Trolle sitzen, traurig und in sich gekehrt.
Sie werden von den Leuten geärgert, doch ein paar
kleine Mädchen kommen und verteidigen sie gegen
die anderen ─ was können die denn dazu, daß sie
so sind? fragen sie herausfordernd.

>>Gärtner aus dem Gärtner-Kreis bieten Tabak an, der als
der beste von ganz Aklanpa geschätzt wird, und lange
weiße Tonpfeifen. Nur ist es nicht viel, denn ihr
Land ist klein, und alle dort wollen den Tabak lieber
selbst rauchen als ihn verkaufen. Die Gärtner gehen
barfuß, und alle Leute wundern sich, daß sie so viele
Haare an den Füßen haben.

>>Waldmenschen aus dem Norden des Alan Gratz haben Holz
herangebracht und auf dem Kanal, der vom Geroner bis
vor Ekro Krinath führt, bis an das Messegelände geflößt.
Vorne auf jedem ihrer sieben Flöße sitzt ein zahmer Wolf,
und wie alle auf Befehl zu heulen beginnen, erschrickt
die ganze Messe, die Besucher fangen aber an zu lachen
wie sie sehen, wer heult. Man wirft ihnen Leckerbissen zu,
die sie aber erst anrühren, als ihnen mit einem Ruf
die Erlaubnis gegeben wird. Dann scheinen sie
dankbar zu sein, jedenfalls blicken ihre
Augen dankbar auf die Leute.

>>Zurück zu den Zwergen aus dem Alan Glazinian. Sie haben zwei
bunte Zelte und Tische davor, einen für ihre Kristalle,
einen für ein paar Erfindungen. Hier finden wir mehr
als wir suchen. Sie haben im Hintergrund einen
schwarz verhängten Tisch, an den wir uns setzen, und
sie lassen uns unter dem schwarzen Tuch in einen
geschliffenen Kristall gucken, der oben an ein Rohr
angebracht ist. Eine Handspanne tiefer ist ein erleuchtetes
Feld, auf dem in einer Glasschale kaum sichtbare kleine
Tiere umher schwimmen. Wir gucken in den Kristall
und sehen diese Tiere nun finger-groß. Das wäre
etwas für unsere Amani, sie könnte damit die kleinsten
Meerestiere genau sehen und zeichnen. Wir nennen
dieses ein Vergrößerungsgerät. Es wurde vom Zwerg
Eletr erfunden und gebaut, heißt es.



>>Wir gehen danach in einen größeren verhängten Kasten
von Mannshöhe, dort haben sie ein anderes, waagerecht
aufgestelltes Rohr, in das sie einige geschliffene Kristalle
eingelassen haben. Wir sehen ins eine
Ende hinein und erkennen ganz nahe den hohen Turm,
der in 7 Meilen Entfernung auf einem Vorberg des Alan
Gratz steht (dicker schwarzer Punkt auf der Karte),
und in doppelter Ferne dahinter im Dunst die
weiße Spitze des Geißenspitz in Eis und Schnee.
Dieses Gerät ist ähnlich wie das vorige, nur, daß wir
damit die Ferne heranholen
können, wir nennen es ein Nahholgerät.

>>Und dann ist da das Gerät, das Anandi für nötig gehalten hatte.
Im Gespräch mit den Zwergen legen wir unsere anderen
Bedürfnisse vor. Einer von ihnen, Eletr, erklärt uns sein
ganz neues Prinzip, um die Salzigkeit zu messen.

Eletr muß ein großer Erfinder sein:

>>Hier habe ich einen in eine Holzschale eingesteckten Kasten (er
ist etwa acht geballte Fäuste groß). Es sehen zwei dünne
Metallfäden heraus. Ich bringe sie ganz kurz zusammen,
und du siehst einen kleinen Blitz. Das ist die Grundlage
der meisten anderen Dinge, die ich erfunden habe.

>>Beide Metallfäden sind ─ bis auf das Ende ─ mit Wolle, die in Pech
getaucht ist, umwickelt. Dann kann der Blitz nicht entweichen.
In dem Kasten entwickelt sich immer neue Kraft für den Blitz.
Hier ist ein roter Kasten, in den ein Glasfensterchen
eingelassen ist. Unter dem Fensterchen siehst du eine
schwarze Nadel hin und her wackeln, und lauter
Zahlen sind da hinein geschrieben, die von der Nadel
angetippt werden. Ich stecke die nackten Enden der
Metallfäden in kleine Löcher hier an der Seite
des roten Kastens.

>>Dann ist hier ein blauer Knopf auf dem Kasten, und
wenn du den drückst, bewegt sich die Nadel auf
eine bestimmte Zahl und bleibt da fest stehen.
Aus diesem roten Kasten kommen wieder zwei
Metallfäden heraus, die auch umwickelt sind,
und kleine Metallplättchen sind an die Enden
geklemmt, die du in ein Glas mit Wasser stellen
kannst.

>>Dieses ist reines Quellwasser, drücke mal auf den Knopf und
sieh den Zeiger an. Auf welche Zahl zeigt er? Auf die Null.

>>Nun streue ich etwas Salz in das Wasser und rühre um. Was zeigt
der Zeiger nun? er ist zwischen der Eins und der Zwei.
Und so geht es weiter, ihr könnt ja mal weiter rum
probieren (Fachausdrücke 5: 13).

>>Das ist ja fantastisch!
ruft Anandi aus und klatscht in die Hände.
>>Und nun brauche ich nur noch in einer Serie von Probe-
messungen einige Becher mit genau abgemessenen Salz-
mengen und genau abgemessenen Wassermengen mit
diesem Gerät zu messen ─ und schon kann ich
hiermit die Salzigkeit ermitteln, oder?

>>Ja, so ist es, fast. Nur eines noch: Wenn ihr meßt, müsst ihr
immer eine gleiche Wärme im Wasser haben.
Also ihr müsst das Wasser genau auf die Wärme
einstellen, die ihr benutztet, als ihr die Serie von
Probemessungen machtet. Und das Proben-Salz sollte
ganz rein sein, sogenanntes Steinsalz, direkt aus dem
Salzbergwerk. Ihr müsst es von den Kuranian-Höhlen
bekommen, sprecht gleich mit den Kuranian-Zwergen
nebenan, sie werden es euch besorgen.

>>Doch bedenkt, daß das Salz im Meer etwas anders
 ist als dieses Steinsalz, Granina sollte mal das Steinsalz
schmecken und mit dem Geschmack von Meerwasser vergleichen.

Also Steinsalz ist wohl nicht der beste Vergleich,
sondern wir müssten dafür schon echtes Meerwasser nehmen.
Und das irgendwie mit Zahlen kennzeichnen.
 Ihr müsst überlegen, ob ihr nichtlieber reines Meersalz statt Steinsalz als Gundlage
eurer Messungen nehmt.

>>Und bedenkt, daß eure Messungen im Vermischungsgebiet
zwischen Meer- und Fluß-Wasser nicht genau ist, nicht
wie eine Messung von Steinsalz oder von Meersalz ist.

>>Also, für die ganz exakten Untersuchungen berechnet
nicht die Salzigkeit aus diesen Salzproben sondern nehmt
die Zahlen selbst, so wie sie im roten Kasten von der
Nadel angezeigt werden, sie sind nämlich nicht verfälscht,
sie sagen Genaueres über die Vermischung zwischen
Fluß- und Meerwasser aus als die
Berechnungen nachher.

Gonfalas erkannte,
>>diese Einrichtung geht auch anders herum: wenn die Salzigkeit
bekannt ist (und wir können uns ja eine genaue Probe
einstellen und im Vorrat haben), könnten wir hiermit die
Wärme messen. Ich verstehe, den Rest probieren
wir zuhause aus.

Eletr meinte,
>>ihr müsst euch ein „Wasserhaus“ einrichten, in dem ihr diese
Dinge ausprobiert und macht.

>>„Wasserhaus“? was ist das?
fragen wir alle.

>>Ein „Wasserhaus oder Labor“ nennen wir ein Haus oder einen
Raum, in dem wir solche Arbeiten machen, die mit
planschendem Wasser, Säuren, Geräten zu tun haben.


Das ist ein gutes und wichtiges Wort, sagen wir, besonders für unsere Architektin Randai ist das wichtig. Sie muß uns ja ein Haus für alle diese Arbeiten bauen lassen.Es müsse ein Wort bei jedem Begriffe sein, sonst verschwinmt das Denken, meint sie.

Gonfalas fragt noch:

>>wird sich die Kraft dieser Kästen nicht erschöpfen? Immerhin
brauchen sie doch Energie? Wo kommt die her?

Eletr antwortet:

>>Das stimmt, doch sie braucht ein paar Jahre, bis sie verbraucht
ist. Wir haben im Berg ─ wo das ist, verraten wir niemandem ─
etwas, das nennen wir Brennkristalle. Solche Kristalle sind ─ in
abgeänderter Form ─ hier drin, sie liefern die Energie. Ich
kann aber auch sagen: macht die Kästen nicht auf, denn
dann können sie kaputt gehen. Wenn jemand darüber lernen will,
unterrichten wir gerne. Wir haben auch viele
Jahrzehnte lang herum probiert.

Wir fragen noch, wie lange seine Gruppe hier bleibt, und verabreden uns für ein Treffen in einigen Tagen in der Stadt in einer Garten-Kneipe.

Am nächsten Tag haben wir ein Gespräch bei der Ministerin für Verkehr und erläutern Ziele und Ergebnisse unserer Reise hierher, besonders die Gespräche mit Eletr. Des Langen und Breiten erläutern wir ihr, wozu wir die von Eletr angebotenen Dinge benötigen, und schließlich willigt sie ein, daß der König sie für unsere Arbeiten kaufen wird ─ unter der Bedingung, daß Eletr oder ein anderer Fachzwerg die Geräte begleiten und uns des Weiten und Tiefen einführen wird. Er soll ein viertel Jahr bei uns bleiben und als ein Mitglied unserer Forschergruppe behandelt werden.

Wie wir dieses Ergebnis Eletr mitteilen, wird er sehr froh. Fröhlich tanzt er umher, wirft die Arme in die Luft und klatscht in die Hände, und ein paar Zwerginnen und Zwerge fallen sofort in seine Freudentänze ein. Jemand macht Musik, und in kurzer Zeit ist ein rauschendes Fest entbrannt ─ bedenkt: ein spontanes rauschendes Fest mitten in Ekro Krinath, dieser spröden und ernsten Stadt! Pavischer Wein wird besorgt, jemand holt einen Fischer, der gebratene Forellen und Sprotten anschafft, bunte Fahnen werden entrollt, Süßigkeiten unter die Kinder verstreut, immer mehr Zwerge und andere Leute kommen dazu, und ein riesiges Volksfest entbrennt innerhalb einer Stunde. Für die Zwerge ist das der Wandel des Lebens! Ihre Technik bricht sich Bahn, der reichste Staat von Aklanpa erkennt sie an! Sie müssen nun nicht mehr nur in ihren Höhlen leben und arbeiten, auch im Licht ist wieder ─ nach so langen Jahrhunderten der Zurückgezogenheit ─ ein Platz für sie.

Der König hatte gehört, wie es erging und was wir erreichten. Das Fest hat ihn sehr froh gemacht, denn Malawi und Krinanon der Dritte lieben es, wenn ihre Untertanen Feste feiern. Sie stellen uns für die Heimreise ein paar gute Pferde und Pferdeknechte zur Verfügung und schenken uns eine ganze Pferdeladung Pavischen Weins aus dem königlichen Weinkeller.





KAPPA 2.6 Das Werk der Zwerge, ihr Beitrag zur Erforschung des unteren Geroner, ein Fischer zeigt uns das "Gradnetz" (Fachausdrücke 5: 50.), erste exakte Forschungsfahrten

Nein, Anandi und die beiden Männer mußten nicht ins Alan Glazinian wandern. Im Triumph ritten sie zurück nach Abyssál. Ein halbes Jahr später wird Eletr mit den Geräten kommen.

Das Schiff ist im Bau. Haus und die ganze Anlage sind in der Planung, die Grundmauern sollen bald gelegt sein. Unsere Forschergruppe besteht nun aus zwölf Leuten, denn auch Masna tritt endlich bei, mit Eletr werden wir dreizehn sein.

Da wird Anandi so schwer krank, daß niemand mehr glaubt, daß sie wieder arbeiten wird. Sie liegt in ihrem Zimmer und stöhnt, dazwischen lange Zeiten der Ruhe. Immer ist jemand von uns bei ihr. Ihre Familie lebt weit weg, und wir können sie nicht so schnell erreichen. Sie redet und sieht klar, doch alles tut weh, und sie ist sich sicher, daß sie bald den Körper verlassen wird. Sie hat keine Angst vor dem Sterben, sie weiß von der Stille, die dann kommt, Anandi wird ihren Körper zurücklassen und bittet uns, drei Tage nach dem Sterben zu warten und ihn dann gegenüber von Abyssál, auf der Khand-Insel zu begraben, da, wo es ganz einsam ist.

Doch sie wird wieder gesund und ist nun viel fröhlicher und besonnener als früher. Sie hatte – wie man sagt – einen Blick in den Himmel getan und weiß nun Bescheid.

Die Krankheit und Erholung hat ein halbes Jahr gedauert. In ihrer kranken Zeit kommt Eletr mit den Geräten und einem Gesellen. Anandi möchte sie gerne kennen lernen und auch die Geräte sehen. Doch sie muß noch warten. Eletr darf sie mal besuchen, und dann geht er öfter zu ihr, um ihr bei der Gesundung zu helfen. Er hat auch Heilkristalle mit gebracht, mit denen er Anandis Körper behandelt, einfach an bestimmte Stellen auflegt.

Wir beauftragen Kranandi, die zweite Zeichnerin, sich anlernen zu lassen und mit den Geräten arbeiten zu lernen. Sie ist auch Kartenzeichnerin und ist schon seit einem Jahr bei uns. Nur fühlt sie sich mehr zu Ermini und ihren Bildern als zur Technik hingezogen und wird später mit ihr arbeiten, um auch zu malen.

Eletr und sein Geselle Simbher haben alles aufgebaut und in Gang gebracht, und nun gilt es, die ersten Forschungen zu machen. Kranandi ist eifrig dabei und berichtet Anandi von dem, was sie gelernt hat. Für Anandi wird ein Stuhl auf Rädern gemacht, in dem sie die Arbeiten an den Geräten beobachten kann. Doch nach einem weiteren halben Jahr kann sie wieder gehen wie alle.

Neu ist aber für uns, Geräte zu benutzen. Was machen wir mit den gefundenen Zahlen? Es werden viele Zahlen sein, die bedeutungsvoll sind, doch wir sehen keine Bedeutung, können uns nichts vorstellen.

Wir brauchen mal wieder Rat. Mir scheint, wir sind zu sehr geistig, zu weit entfernt über dem Boden dessen, was ist, zu sehr im Kopf wie man sagt. Wir sprechen darüber, und nun sitzen die Frauen in derselben Falle wie wir Männer. Doch die stille Granina, die unter Fischern im Umbrár aufgewachsen ist, meint, wir sollten die Fischer fragen. Sie hätten oft gute und einfache Ideen. Wir beauftragen sie, ein Treffen zustande zu bringen.

Zwölf Tage danach kommt ein älterer Mann in unser Haus – es ist noch nicht das neue Haus, das noch im Bau ist –, er sei Fischer und ein Onkel von Granina, die ihn gerufen hätte. Mit ihm sitzen wir wieder zusammen, und er sieht sich still an, was wir wollen und bereits haben. Viel hat er schon im Meer gefischt, aber auch Jahre lang Netze geflochten und geflickt, und so versteht er auch, was wir wollen – vielleicht besser als wir selbst. Ähnliche Gedanken sind ihm schon lange gekommen, doch er hatte nie Zeit, das Fischen ging immer vor.

Sein Name ist Grank´, und er sagt, den Laut „Gran“ hätte jeder Mensch in seiner Sippe im Namen.

>>Ich habe so viele Netze gesehen, oft dicht vor meinen Augen. –
Man kann ein Netz un-ordentlich flechten und man kann
die Maschen in Reihe und Glied flechten. In Reihe
und Glied geflochten vermittelt so ein Netz eine Ordnung
in meinem Kopf, deswegen habe ich das immer so gemacht.

>>Was ihr hier macht, ist eine Art Netz-Muster, das erst mal noch
im Kopf ist. Macht das Netz schön rechtwinklig, das ist das
Erste. Habt es im Kopf. So wie ein gutes Netz müssen eure
Bilder sein, mit denen ihr euch selbst und den anderen die
Ergebnisse eurer Messungen vorstellen wollt
(Fachausdrücke 5: 50.)


>>Nehmt nun ein Blatt Papier und einen Bleistift. Zeichnet
ein Viereck, breiter als hoch. Auf der unteren Linie
macht 14 Striche in gleichen Abständen. Das ist wie ein
Maß-Stab, stellt aber fast 40 Meilen dar, verkleinert. Ja,
VERKLEINERT, sonst würde euer Bild ja nicht auf den
Tisch passen. Und auf der linken Linie verfahrt ebenso,
es müssen 8 Striche sein, die nach oben gehen, es sollen
9 Mannshöhen darstellen. Seht ihr, was da entsteht?

>>Wenn ihr die Striche richtig verbindet, ergibt das ein Netz – wie
ein gutes Fischernetz –, in dem alles rechtwinklig und
ordentlich ist – so wie ich es schon mein ganzes Leben
lang gesehen habe.

Pariman beginnt mit einer Zeichnung, er versucht unten 40 Meilen des Flusses zu bezeichnen (2 1/2 Meilen-Abschnitte bekommt er nicht rein). Und links bezeichnet er die Mannshöhen, an der oberen Linie beginnend: 1 Mannshöhe, 2 Mannshöhen, 3 Mannshöhen und so weiter. Grank´ macht klar, daß eine Linie bereits fertig ist, nämlich die Wasseroberfläche, sie wird durch den waagerechten Strich oben in der Zeichnung angezeigt und heißt 0, das ist null Mannshöhen tief. Eine Fläche – die Wasseroberfläche – als einfache Linie? (Fachausdrücke: 15)

>>Ja, denn so ist es einfacher, bedenkt jedoch, es ist nur ein
 Bild, ein abstraktes Bild, nicht das Estho selbst. Stellt
euch vor, ihr legt ein Seil auf die Wasserfläche, von
Ekro Krinath bis hier, und spannt das Seil gut -
dann habt ihr diese Linie.

Ja, das wird verständlich, wenn wir auch nicht gewohnt sind, in dieser Weise zu denken.

>>stellt euch vor, da ist eine riesige Platte ins Wasser gerstellt,
oder an das Seil gehängt, und auf diese Platte  ist dieses
 Netz gezeichnet. Das wäre der Anfang des Erkennens.

Nach einigem Denken ist das sehr gut vorstellbar. Hier habe ich das hingezeichnet:


das erste "Gradnetz" aus der Idee eines Fischernetzes
entstanden, angeregt von Grank´ wie ich es eben
beschrieben habe. Wo Hafen steht beginnt für uns das Estho,
hier ist die Stromschnelle. In das Netz haben wir später
die Beobachtungen – Zahlen und
Ereignisse – eingetragen. Das Netz ist noch lange
nicht so ordentlich geworden wie Grank´ es verlangt hatte,
aber er meinte, so ist eben die Natur: draußen und in unseren
Gehirnen, eben doch nicht so gerade wie ein gespanntes Seil
oder ein Lichtstrahl oder eine frisch gerichtete Platte. Gewiß können
 wir das nicht richtiger machen, denn auch die Natur
ist nicht "richtiger"!


>>Und nun zeichnet ihr zu jeder Meile die von euch gemessene Tiefe
in Mannshöhen ein. Seht, so habt ihr ein sehr einfaches Bild
vom Grund, das Bild zeigt nämlich, wie der Fluß zum
Meer hin immer tiefer wird.

Pariman:

>>Und statt deiner Fische zeichnen wir nun die Zahlen ein, die wir
gemessen haben, ist das richtig?

Und gleich schränkt er ein:

>>Aber nur die Zahlen, die nur eine Sache darstellen, zum Beispiel
Eletr´s Zahlen, die er für die Salzigkeit gewonnen hat. Und
in einer nächsten Zeichnung machen wir es ebenso
aber mit den Wärmezahlen.

das erste Netz, wir haben unsere Vorstellungen der Tiefen als rote
Linie eingetragen. Ist das zu verstehen? Oberhalb der roten
Linie fließt das Wasser – je nach Flut oder Ebbe nach rechts
beziehungsweise links. Unterhalb der roten Linie ist der Grund,
Untergrund, Schlamm, Felsen ...




nun üben wir: wir zeichnen das vorige Netz ab und tragen unsere
Vorstellungen der Wasser-Vermischungen zwischen Meer und Ekro
Krinath ein. So könnte es weiter gehen, aber wir wollen – im Sinne
von Krank´ – akkurat zeichnen, und erhoffen uns genauere
Einblicke – irgendwann. Wir hatten ja schon die Salzigkeit
in verschiedenen Wasserproben abgeschätzt, und da wir
wissen, das salziges Wasser schwerer als Flußwasser ist,
kommen wir zu dieser Vorstellung.


Diese Vorstellung hatte Gondas früher mal für Studenten auf eine schwarze Tafel skizziert und wiederholt es für uns:


Gondas erzählte uns, was er den Studenten erklärt hatte:

>>Was ich nun sage, ist eher eine Spekulation, also ein Bild, das ich
mir mache, weil ich einiges gelernt, gesehen und
erdacht habe, also – eben – Spekulation. Was an meiner
Spekulation Wirklichkeit ist, weiß ich zur Zeit nicht.
Das zu ermitteln ist die Aufgabe der
Kenntnisschaften, des Forschens.

>>Wenn das leichte Flußwasser zum Meer fließt, breitet es sich
über das schwere Meerwasser aus. Auf der Zeichnung
ist das Meerwasser weiß gemalt, doch das Flußwasser
habe ich nicht gekennzeichnet, es ist auf meiner Tafel
unsichtbar, nur die schwarzen Pfeile zeigen das Fließen
des Flußwassers.

>>Vom Meerwasser geht immer mehr verloren, weil es sich mit dem
Flußwasser vermischt und zu Mischwasser, also Brackwasser
wird. Im Gewicht steht es zwischen beiden Wassersorten.
Das Brackwasser strömt nicht sondern hat die Tendenz nach
oben zu steigen und sich weiter mit dem Flußwasser
zu vermischen.

>>Bezüglich der Strömung nenne ich die Brackwasserschicht auch
die „Schicht ohne Netto-Strom“, in waagerechter Richtung
steht das Wasser also, fließt weder in Quell-Richtung noch in
Meer-Richtung. Es ist eine ganz dünne Schicht, unter ihr
fließt Meerwasser flußwärts, über ihr Brack- und Flußwasser
meerwärts. In der „Schicht ohne Netto-Strom“ aber fließt
Wasser nach oben, Richtung Oberfläche.

>>Nochmal anders: unter dieser „Schicht ohne Netto-Strom“ liegt das
Meerwasser, das langsam heranströmt. Da diese Meerwasser-
schicht salzig ist, nenne ich sie den Salz-Keil, eine
keilförmige  Wasserschicht, die ihre Spitze dort hat,
wo der letzte Rest von reinem, unvermischten salzigen Meerwasser
zu finden wäre. (wegen Salzkeil Fachausdrücke: 1)

>>Weiter unten werde ich erläutern, warum dieses Bild nicht
ganz stimmen kann. Aber es ist der Anfang der gesamten
Vorstellungen – und schließlich Forschungen – im Estho.

>>Mein Bild auf der schwarzen Tafel ist eben so hinskizziert und
deswegen erscheint es ungenau zu sein. Ich zeige hier mal
ein Bild, das viel genauer erscheint:

Gondas´Erklärung hierzu:
>>hier ist der einströmende Salzkeil dunkel gezeigt, die großen
gepunkteten Pfeile stellen das einströmende salzige Meerwasser
dar, die großen mit glattem Rand das ausströmende Flußwasser.
Kleine gebogene Pfeile zeigen, wie das Meerwasser sich ins
Flußwasser einmischt. Die Ränder des Salzkeils sind "gelockt"
gezeichnet, etwa so wie es wirklich sein mag, doch so recht weiß
ich das nicht, vermute das lediglich, weil alles im Wasser "gelockt"
oder verwirbelt ist.



>>..."genauer erscheint" sagte ich, denn das ist nicht so. Hier versuchte
ich, den Salzkeil sehr akkurat darzustellen, doch je weiter
ich in Gedanken oder auch mit dem Messen in die
Einzelheiten gehe, desto verwickelter wird es.
Deswegen löse ich die einzelnen Vorgänge
und Kräfte, von denen ich weiß, löse sie auf in
einzelne Bilder, etwa so wie dieses:


>>dieses Bild ist so entstanden: ich stelle mir eine lange
Glasplatte vor, die ich in die Mitte des Estho´s reinstelle und das,
was ich mir denke auf die Platte zeichne. Schraffiert ist
der Grund gezeigt, und gelockt die Vermischung der beiden
Wassertypen. Vielleicht stellen diese Locken
am besten dar, wie Wirbeln vor sich geht.


>>Zum Verstehen haben wir Versuche gemacht: in eine Glaswanne
stellten wir senkrecht eine Platte (Schieber) quer, auf jede Seite gießen
wir Wasser: auf die linke salziges, schwarz gefärbtes
Wasser, auf die andere farbloses Flußwasser. Als wir den
Schieber langsam hochzogen, geschah, was als 2 und 3 zu
sehen ist, und schließlich haben sich die beiden Wassertypen
übereiander geschichtet, und zwischen beiden ist
eine graue Mischschicht:


>>Was in diesem Bild geschieht, kann man gut in einem 
kleinen Versuch verstehen:


>>hier verwirbelt sich schweres, schwarzes Wasser mit leichtem,
hellen: einen Tintentropfen haben wir auf die
Wasseroberfläche getropft, die Tinte löst sich nicht
in Wasser, aber die beiden gleich leichten Flüssigkeiten
vermischen sich in dieser schönen Art und Weise.
Das ist ein typisches Bild von Verwirbelung.

>>Wenn das schwarze und das farblose
 Wasser nicht sofort ineinander auifgehen würden,
 würde es etwa so aussehen wie auf diesem Bild:
eine Übergangsschicht. Und so stelle ich mir die
Brackwasserschicht über dem Salzkeil vor.


Diese schönen Bilder werden aber durch vierlei Kräfte gestört: Gezeiten, Jahreszeiten, Stürme, Denkmethoden ... Darüber ein paar Bemerkungen hier: ...

Wir waren sehr überrascht als wir am Hafen von Ekro Krinath eine Messlatte ins Wasser stellten und die Wasserhöhe in kurzen Abständen feststellten. Denn wie das folgende Netz zeigt, schwingt das Wasser zwar regelmäßig auf und ab, aber doch nicht so regelmäßig wie wir es gedacht hatten: der Moment des höchsten Wasserstandes war jeden Tag etwas später, und die Wasserhöhe wandelte sich auch. In sehr grober Form haben wir das hier dargestellt:

wie die Wasserstände sich ändern, verursacht durch Ebbe und Flut.
Hier wieder ein Gradnetz ähnlich wie den vorherigen:
die Linien der Tiefen wieder als waagerechte Linien,
nun alles auf den Grund – der dicke Strich – bezogen. In Rot
der Wasserstand, wie wir ihn über fast 4 Tage gemessen haben:
o zeigt die Mittagszeit, schwarzer Punkt die Mitternacht.
Wahrscheinlich ist das Ganze viel regelmäßiger, doch wir haben
noch nicht die genauen Mess-Methoden erfunden.



Dann sitzen wir Tage lang zusammen und beginnen zu verstehen, wie wir unsere Zahlen sichtbar machen können. Aber da stehen nur einfach Zahlen auf dem Netz, wir erkennen noch kein Abbild.

Randai aber entdeckt plötzlich das Abbild vor ihrem geistigen Auge: mit Bleistiftlinien verbindet sie alle Zweien, alle Dreien, alle Vieren und so weiter. An dieser Idee basteln wir noch viel herum und steigern uns die ganze Nacht bei des Königs Wein in die abenteuerlichsten Figuren hinein. Die Salzigkeit zum Beispiel hatten wir schon an mehreren Tagen gemessen und alle Messungen zeichnen wir in Netze ein, die wir nach Datum geordnet neben einander legen. Und siehe ─ wieder bekommt Randai als erste das bewegte Bild vor ihre inneren Augen ─ : wir erkennen die Veränderungen von einem Tag zum anderen, wir erkennen das Fließen, nun beginnt der Fluß für uns zu fließen ─ einfach so auf den Papieren! Auf den Papieren, in Grank´s Netzen bildet sich das Leben des Geroner ab.

Da wir auch schon lange Listen mit Messzahlen haben, die wir am Kran auf dem Ende der Hafenmauer am Strom gewonnen hatten ─ alle Stunde eine Anzahl von Messungen in Abständen von einer halben Mannshöhe von der Oberfläche bis an den Grund (der hier nur drei Mannshöhen tief ist) ─ , können wir nun das Fließen der Ebbe und Flut erkennen.


Jetzt brauchen wir nur noch die anderen Zahlen, die wir gefunden haben, in ähnliche Netze einzutragen und neben die der Salzigkeit legen.

Weiter unten beschreibe ich, wie wir mit dem Schiff Messzahlen bekommen. Nach einigen Schiffsfahrten entlang des Estho´s, an denen wir viele Zahlen ermessen haben, zeichnen wir in wenigen Monaten ein großes und überzeugendes Bild des Flußabschnittes, den wir genauer beobachtet haben. Wir erkennen die Form des Estho, seine Zahlen und die Veränderungen während Ebbe und Flut und auch in längeren Perioden. Doch alles macht viel Arbeit und kostet lange Wochen an Hingabe und Fleiß.

Nach einiger Zeit schicken wir ein Paket mit Berichten und solchen gezeichneten Netzen an den König. In seiner Antwort schickt er ein besonderes Lob an Grank´ zusammen mit einem Fäßchen besten pavischen Weines für ihn.

Er schreibt,

>>Der Beitrag von Grank´ war das Beste! Er verdient besondere Anerkennung
durch mich sowie dieses Fäßchen mit pavischen Wein.
Ich möchte, daß ihr ihn je und je wieder zur Beratung
hinzuzieht und gewähre ihm für diese Zeiten seiner
Beratungen ein Gehalt wie es euch auch zusteht.

Doch Grank´kam nie wieder, denn das Reisen vom Umbrár her wurde seinem alten Körper zu beschwerlich. Statt dessen segelte Granina einige Male zu ihm und suchte nach weiterem Rat, doch auch sein Geist war nun zu alt und er weigerte sich, noch weiter über unsere Dinge nachzudenken. Er will einfach still und wach und klar sein Alter genießen, in einem Häuschen am Strand in der Nähe seines Dorfes und lässt bestellen:

>>Wenn ich nun noch viel nachdenke, könnte sich mein Geist
verwirren – er ist im Alter schwach geworden. Er kann die
Verwirrnisse des Denkens nicht mehr sauber steuern. Dann
würde ich die reine Klarheit verlieren, die ich zum
Altern brauche.

Weiter der König:

>>Doch bedenkt: Euer Bild erleidet durch diese Netze einen großen
Nachteil. Ihr geratet nämlich in Versuchung, die
Bilder auf den Netzen als ein „wirkliches Bild“ der Natur
zu verstehen. Doch das ist es lange nicht. So
kompliziert wie die Natur ist, könnt ihr sie nicht
darstellen, mit keiner Methode. Eure Netze sind
eine sehr starke Vereinfachung ─ leicht zu
verstehen aber weit entfernt noch von der Natur.

>>„Leicht zu verstehen“, sage ich. Das ist aber nichts weiter als
dieses „wirkliche Bild der Natur“ in
Übereinstimmung zu bringen mit einem Bild,
das es bereits im Gehirn gibt, jedenfalls sieht
es ähnlich aus. Anders geht es garnicht.
Wir können im Gehirn nicht ein Bild erschaffen,
für das im Gehirn keine Grundlagen gibt.

>>Jedoch nur das, was da draußen in jedem Moment geschieht,
das ist das einzige mögliche vollständige Bild.
Es gibt kein anderes. Und dieses Bild kann man nicht
darstellen, aber man kann in ihm leben! Man kann es
erfahren.

>>Eure Netze und Texte werden dann zum Gerüst, das ihr euch
in eurem Gehirn neu erschaffen könnt, wenigstens,
wenn die genannten Grundlagen im Gehirn vorhanden
sind. Also ganz aus dem Nichts kann sich auch das sonst
 beste Gehirn kein ganz neuens Bild erschaffen.

>>Diese Netze und Texte, in denen ihr lebt, und die ihr ─ vielleicht ─
mit den Naturbeobachtungen in Übereinstimmung bringt,
bewegen sich weich und fließend innerhalb dieser Gerüste,
oder auch mal außerhalb. Mehr ist kaum zu
erreichen ─ wie ich das heute sehe.

>>Ich erwarte von euch nicht, daß ihr nun lauter Netze herstellt. Sie
sind die Grundlagen, um vieles zu verstehen. Das Verstehen und
Erfahren wird besser, wenn ihr die Netze habt und am
Ende wieder beiseite legt.


So vergehen lange Monate an solchen Vorbereitungen. Da prüfen wir die einzelnen Geräte, machen uns mit ihnen vertraut, messen mit ihnen und zeichnen viele Netze ─ zu erst nur probeweise, doch ohne damit das Estho erforschen zu wollen. Doch bald reizt dieses Tun uns zu immer mehr Messen und Zeichnen, und so entsteht das, was ich oben schon für die Gezeiten beschrieben habe: ein großes Bild des Estho.

In der Vorbereitungszeit ankern wir mit einem Schiff mehrere Male vor dem Hafen einen ganzen Tag, um unsere Methoden zu erproben, und merken: das Seil, an dessen Ende die Sammelflasche hängt, hängt nicht senkrecht nach unten sondern je nach der Strömung mehr oder weniger schräg, dadurch ist es nicht möglich, die Tiefe, in der die Flasche hängt (und aus der wir das Wasser nehmen wollen), sicher zu bestimmen. Ein schweres Gewicht an das Seil zu hängen, reicht nicht, da das Seil und der Kran nicht stark genug sind. Also basteln wir uns ein Gerät, das wir an das Seil anlegen und somit messen, wie der Winkel im Vergleich zur Senkrechten misst. Aus diesem Wert errechnen wir schnell die wirkliche Tiefe.



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