Dienstag, 1. April 2014

402a – Viertens – KAPPA 2.1 - 2.3







Ober-KAPPA 2. Die Erforschungen des unteren Geroner, seiner Mündung und der Krinischen Meeresbucht von Ganorinth  . . .



den Überblick aller meiner Blogs findet ihr hier: 
http://mein-abenteuer-mein-leben75.blogspot.com

im folgenden Blog findet ihr den Anfang der Geroner-Forschungen
sowie den Überblick über alle Geroner-Blogs
: 
http://geroner-aestuar.blogspot.com




Diese Karte umschreibt das Land, in dem die Geroner-Geschichte spielt,
Aklanpa {Mittelerde bei TOLKIEN}.
Die Skala am unteren Rand kennzeichnet 4 x 10 lomische Meilen.
Das Himmelsrichtungs-Kreuz ist genordet.
Dunkel gezeichnet die Gebirge.





–> KAPPA 2.1  Vorbereitungen beim König

Von Ekro Krinath reisen wir nach Abyssál. Hier kommen wir uns sehr fremd vor. Wir waren mehr als ein Jahr fort gewesen und hatten so vieles erlebt, das uns sehr verändert hat. Am Anfang wissen wir nicht, was es nun zu tun gäbe. Schon auf der Wanderung hatten wir in manchen Gesprächen miteinander  versucht, eine neue Forschungsordnung zu finden. Das Wichtigste schien uns, unsere Gruppe aufzulösen und eine neue Gruppe entstehen zu lassen, an der sich ebenso viele Frauen beteiligen wie Männer. Wir wollten auch offen sein für Leute, die nicht unsere Erfahrungen gemacht hatten, die also in den gewöhnlichen althergebrachten Mustern des Denkens und Fühlens von Frauen oder Männern fest verankert sind. Doch wird es sich zeigen, daß das sehr schwierig ist.


So aber verlief dieser letzte Teil der Reise:

Vom nördlichen Randgebirge des Alan Glazinian stiegen wir hinab in die Ebene des oberen Geroner-Flusses, umwanderten den Andrion-Wald und gelangten an die Reste der alten Wehrmauern der Silbernen Felder.

Doch schon hier auf den Silbernen Feldern, noch bevor wir auf unserer Wanderung Ekro Krinath erreichen, bekommen wir die Nachricht, daß uns der König Krinanon (er ist der Dritte dieses Namens) erwarte und einen Bericht von uns hören möchte. Das ist nun eine große Ehre, denn er ist nicht nur der König sondern ein Mitglied des alten sehr erfahrenen Königs-Geschlechts.

Krinanon der Dritte ist nämlich der zweiundzwanzigste Erbe von Andran, dem Begründer dieser Linie, und der Enkel des Großen Krinanon, der nach dem Krieg gegen Rou-undt {Sauron bei Tolkien} vor dreihundert Jahren König der Vereinigten Königreiche von Arnor und Krinaniath {Rohant und Gondorra} wurde. Krinanon der Dritte ist auch Urenkel des Arathorn, der hoch im Norden von Aklanpa {Mittelerde} lebte und große Heldentaten im Krieg gegen den Schwarzen Fürsten Rou-undt vollbrachte, doch er verlor Ende des Krieges sein Leben.

Am Tor gab es bereits einen ehrenhaften Empfang, und man wußte in der Stadt bereits, daß wir uns auf eine so entbehrungsreiche Reise gemacht hatten, und daß wir mit dieser Reise gewisse Grundlagen zur Erforschung der Meere legen wollten – wenn auch nicht verstanden wurde, welcher Art diese Grundlagen sein sollten (das mag auch in anderen wissenschaftlichen Kreisen schwierig zu verstehen sein).

Ich berichte nun, wie es uns erging: Der König empfängt uns in einem Gesprächsraum des Schlosses. Er ist uns sehr huldreich und zugetan, er schätzt unsere Pläne und Reise sehr und läßt sich berichten. Auch über die Wagen der Zwerge berichten wir, was ihn sehr interessiert, er läßt eine Frau zuhören, der er die Aufgabe einer Verkehrsministerin (so etwas gibt es bisher nicht) zugedacht hat. Er gibt uns Unterrichtung:



Unter-KAPPA 2.1.1 Plan einer Forschergruppe


>>Ihr werdet eine Forschergruppe aufstellen, in der immer gleich viele
Frauen und Männer sind. Beginnt mit etwa zwanzig Leuten.
In ihrem Können und Denken sollen Frauen und Männer
in der Gruppe gleich herkünftig und gleich geachtet sein.
Auch sollen die Denkweisen verschiedener Kulturen einge-
bunden und hoch geachtet werden, wenn sie euch auch unnütz
erscheinen mögen.

>>Ich erwarte, daß ihr in vier Monaten eine Gruppe von mindestens
erstmal zehn Leuten zusammen gestellt haben werdet und mir berichtet
– das heißt schriftlich, denn nicht immer müsst ihr hierher reisen.
Die königliche Botenpost mag genügen.

>>Wenn aber diese Gruppe entstanden und gereift ist, kommt ihr alle wieder in
die Residenz,und ich werde alles noch einmal sagen, damit
alle es hören und verstehen.

>>So wie ich es heute sehe – doch eure halbjährigen Berichte
könnten meine Meinung ändern –, sollt ihr nach dem
folgenden Schema arbeiten:

>>Ihr erforscht eine gewisse Sache und ihr berichtet über das
Gefundene nach strengen Richtlinien, die ich euch gleich
geben werde. Dann gebt ihr mir schriftlichen Bericht.

>>Vorweg aber eine Bemerkung zu den geistigen Grundlagen eurer
Arbeit: Jeder Mensch hat gewisse VORSTELLUNGEN
(Fachausdrücke 5: 11) von dem, was ist – ob es aber tatsächlich
so ist, kann man nicht immer wissen, dazu forscht man.
Was ist eine Vorstellung? Ich sage mal: eine Vorstellung ist der
Inhalt und die Form des Denkens und Meinens – das Meinen
wird oft als Wissen mißverstanden.

>>Alle Vorstellungen müsst ihr immer hinterfragen: woher
stammen sie – aus eurer Kindheit, aus der Schule,
von undiszipliniertem Denken, aus Gesprächen, aus
ungenauen Beobachtungen, aus Spekulationen oder Spielen –,
wie sind sie entstanden und wie verändern sie sich,
wie beeinflussen sie die Menschen und ihr Tun.

>>Es ist also immer riskant, solche ungenauen Vorstellungen
vor mir als Wahrheiten oder Wissen hinzustellen, denn
dann kann es geschehen, daß der König falsche Entschlüsse
faßt. Das wäre sehr schädlich für alle und würde auf euch
zurückfallen. Seid also immer sehr sorgfältig.
Prüft alle Vorstellungen sowohl durchs
Forschen als auch durchs klare Denken.

>>Ihr könnt auch nicht darauf bauen, daß ich eure Fehler schnell
erkenne, da müsst ihr selbst immer die Kontrolle ausüben.

>>Solche ungenauen Vorstellungen können aber auch aus den For-
schungen selbst entstehen. Wenn Zweifel entstehen, hilft das
Folgende: Formuliert eure Vorstellung ganz klar in einer
Weise, daß man sie erforschen kann, also als eine
BEHAUPTUNG (Fachausdrücke 5: 11). Dann prüft diese
Behauptung draußen in der Natur – oder macht einen
Versuch, vielleicht in einem Teich, der mit dem natürlichen
Wasser gefüllt ist. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt viele
Möglichkeiten, Versuche zu machen, um eine
Behauptung zu prüfen – also zu prüfen, ob sie richtig
oder falsch ist oder ob sie weder richtig noch falsch ist,
oder ob sie vielleicht so aufgestellt ist, daß sie nicht
geprüft werden kann. Das letzte wäre dann un-
geschickt gehandelt, denn man läuft in eine Sackgasse.

>>doch auch eine solche Ungeschicklichkeit wäre ganz natürlich,
sie kann vorkommen, und sie hilft, besser zu verstehen.

>>Verwechselt nicht Vorstellungen, die aus dem täglichen Leben
stammen, mit solchen, die während des Forschens
entstehen.

>>In den nächsten Wochen habt ihr zuerst die Aufgabe nur im Kopf,
macht nicht so viel Praktisches. Fahrt mit einem Boot auf dem
Geroner zurück nach Abyssál und macht in unregelmäßiger
Weise vom Schiff aus Beobachtungen, möglichst viele,
seid ganz aufmerksam. Und macht euch ein Bild, eine
Vorstellung vom Geroner von Ekro Krinath bis nach
Abyssál und schließlich bis ins Meer. Entwickelt das Gefühl,
als seiet ihr selbst der Fluß, als schwömmet ihr mit dem
Wasser, als drehtet ihr euch mit den Wirbeln und so weiter.

>>Aus diesem Bild pflückt ihr Behauptungen heraus, die ihr zum
Verstehen nötig habt, und prüft sie. Um sie zu
prüfen, müssen die Behauptungen ganz klar
formuliert werden, eindeutig.

>>Was heißt hier prüfen? Beobachtet die Sache, die ihr behauptet,
immer wieder, macht ein Schema daraus, bleibt dabei.
Was heißt das? Ihr müsst nun das Beobachten ganz
strengen Regeln unterwerfen, damit alles Beobachten
derselben Sache unter gleichen Bedingungen erfolgt, damit
ihr die Beobachtungen nebeneinander stellen könnt.
Wenn ihr diese Bedingung erfüllt habt, dann könnt
ihr sehen, was von Mal zu Mal doch noch anders ist.
Das deutet auf bisher nicht gesehene Einflüsse, die es
weiter zu erforschen gilt. So nähert ihr euch
einem wahrhaftigen Bild der Natur.

>>Ihr werdet aber nie ein vollständiges Bild der Natur bekommen,
da Bilder immer etwas Einfaches bleiben, die Natur selbst
aber unendlich kompliziert ist, ich sage „unendlich“.

>>Bei den Vorstellungen löst euch von den Vorstellungen,die euch
die Gesellschaft immer wieder geben will, haltet euch
rein davon! Man neigt leicht dazu, die Vorstellungen
der Gesellschaft für absolut richtig und natürlich zu halten,
was sie aber nicht sind, denn die Gesellschaft ist durchaus
künstlich und hat nichts mit dem Natürlichen zu tun.

>>Forschen ist eine geistige Aufgabe, bei der sich die Forscher sehr
rein halten müssen.

>>Wenn die Forschungen den höchsten Stand erreicht haben,
müssen sie ohne Vorstellungen auskommen können, das
ist das ferne Ziel. Doch wird auch dies kaum zu erreichen
sein, nur in Einzelfällen. (Fachausdrücke 5: 14)

>>Diese geistigen Methoden für die Forschung müsst ihr noch weiter
entwickeln, ich gebe euch hier nur erste Anregungen.
Diese Entwicklungen gehören mit zu euren Aufgaben.

>>In den Pavitrani habt ihr aber Methoden gelernt, den Geist in
einem reinen Raum zu halten, das war der Anfang,
und so muß es bleiben.

>>Ich will, daß alle Teilnehmer an den königlichen Forschungs-
aufgaben zu den Pavitrani gehen, um ähnliche Erfahrungen zu
machen wie ihr. Wer das nicht will, soll nicht als Forscherin
oder Forscher angesehen werden.

>>Wir werden eine eigene Forscherakademie in Abyssál gründen,
in der die Forscherinnen und Forscher in einer reinen
Umgebung leben können. Sie sollen zwar das äußere
Leben in allen Aspekten kennen, aber sie sollen sich immer
wieder in die Akademie zurückziehen können, die unter
meinem besonderen Schutz steht.Und sie sollen
geistig rein und klarlinig bleiben, sich von dem Leben „da
draußen“ nicht verwirren lassen, ihren Geist nicht
zerreißen lassen.

>>Diese Akademie soll sich bald zu einer Forscher-Stadt ausweiten.
Sie soll die geistige Heimat der Forscher sein,
in die sie sich immer zurückziehen werden.

>>Als ersten Bau werdet ihr ein Haus für euer Arbeiten bauen.
Daraus kann dann in Jahren die Akademie entstehen.

>>In diesem Haus oder in nächster Nachbarschaft sollt ihr wohnen.
Alles wird vom König zur Verfügung gestellt – ebenso
Räume, in denen ihr allein oder zusammen still sitzen
könnt, also eine Art Tempel. Dort kann jede und jeder
die eigene Gottheit verehren – oder auch keine Gottheit oder
keine Verehrung, es darf deswegen nie Streit geben. Richtet
euch alles selbst ein, damit es den Erfordernissen eurer
Aufgabe gerecht wird.

>>Für Bau und Erweiterung dieses Hauses und der Akademie nehmt
eine Architektin in eure Gruppe auf. Ich möchte, daß diese
Aufgabe von einer Frau wahrgenommen wird, da Frauen
besser verstehen, was benötigt wird.

>>Beim Forschen wünschen wir, das die Vorstellungen und die
Ergebnisse des Forschens OBJEKTIV (Fachausdrücke 5: 12)
sind, das heißt sie sollen nicht aus euren persönlichen
Meinungen und Wünschen stammen. Vollständig ist das
zwar unmöglich zu erreichen, doch ihr sollt das anstreben.
Dieses Streben ist eine eurer wichtigen Aufgaben.

>>Wenn erst Frauen in eurer Gruppe sein werden, werden sie gegen
einige meiner Bemerkungen protestieren. Meine Bemerkungen
sind nämlich männlicher Herkunft. Wenn ihr aber mit eurer
ganzen Gruppe – so viele Frauen wie Männer – wieder zu mir
kommen werdet, wird auch meine Frau dabei sitzen, und ich
glaube, sie wird den fraulichen Teil zu meinen
Bemerkungen beitragen.


Die Königin hat drei Frauen ausgesucht, die mit uns reisen sollen, vielleicht mögen sie später auch in die Forschergruppe eintreten. Masna war sehr willkommen, obwohl noch niemand weiß, ob sie zu den Forschungen beitragen wird. Sie selbst hat vieles nicht verstanden und hält sich sehr zurück. Mir scheint, ihr ist das alles zu viel, und es war nicht das, was sie sich gedacht hatte, als sie mit Pariman gegangen war.



–> KAPPA 2.2 Vorbereitungen, die Forschergruppe

Und dann sagte der König:

>>Ich habe meine Pläne etwas geändert. Wichtiger als das Meer
sind erstmal die Flüsse. Ich will, daß ihr den Geroner von
Ekro Krinath aus bis in die Bucht von Ghanorinth hinein
erforscht. Falls ihr jedoch Lust habt, sei es euch frei gestellt,
ab und zu auch weiter ins Meer hinaus zu reisen und dort zu
forschen. Das ergänzt eure Erfahrungen vielleicht.

>>Ich habe gesehen, daß der Geroner ein wichtiges Fahrwasser für
die Schiffahrt werden wird, wichtiger als bisher, denn der
Überseehandel dehnt sich aus.

eines der Dranu-Boote aus dem Lande Umbrar im tiefen Süden,
mit denen meistens mit Bernstein gehandelt wird, im
Austausch gegen Brenn-Kristalle aus dem Alan Glazinian.


>>Die Schiffe werden größer werden, doch auch die Fischerei wird
zunehmen. Achtet auf beides, denn sie mögen sich gegeneinander
schädigen, und das muß vermieden werden. Findet später
einen guten Mittelweg für unsere Planungen.Ich
möchte mich auf euren Rat verlassen können.

>>Vielleicht werden wir das Flußbett des Geroner an einigen Stellen
tiefer legen und seitwärts einengen müssen (Fachausdrücke
5: 10). Wie wir das machen können und was das für Folgen
haben wird, das zu erforschen wird eine spätere Aufgabe
für euch sein, bedenkt es aber schon jetzt bei euren
Arbeiten: was könnte geschehen, wenn wir das
Flußbett verändern.

>>Es könnte sein, daß dieses Gebiet des Geroner zwischen Ekro
Krinath und dem Meer eine besondere Naturerscheinung
ist, die von den ansässigen Fischern als „das Estho“
bezeichnet wird. Ich denke mir, daß ihr als
erstes dieses Estho erforschen sollt
(Fachausdrücke 5: 22, 44).

>>Zu diesem Zweck mögt ihr daran denken, in Sandkastenspielen
den Geroner nachzuahmen, damit ihr im Kleinen seht,
was im Großen ist. Doch bedenkt dabei: manches lässt
sich nicht verkleinern, besonders die schon sehr kleinen
Schlamm-Teilchen nicht. Es gibt wahrscheinlich keine
kleineren Teilchen, die man im Sandkastenspiel
als Miniatur-Schlamm nehmen könnte.

>>Soweit seht ihr meine gesamte Idee.

>>Nun aber sage ich euch etwas zu euren Forschungen selbst:
Ihr sollt mir immer Bericht erstatten, etwa zwei Mal im Jahr.


Alles wird mitgeschrieben und in unser Rotes Buch übertragen, in das des Königs Bemerkungen und andere besondere Erkenntnisse – wie die von Nawain – aufgenommen werden. Das Buch über unsere Reise ist aber noch ein anderes, das wir in den Höhlen der Zwerge im Alan Kala-Ben begonnen hatten. Es ist das Grüne Buch. Nun schreiben wir schon in den vierten Band dieses Grünen Buches.

Wir reisen auf einem Schiff von Ekro Krinath nach Abyssál. Auf dem Schiff machen wir unsere ersten Beobachtungen. Wir reisen über fünf Tage lang, denn wir lassen uns vom Strom treiben ohne Segel oder Ruder zu benutzen. Es sind immerhin 24 lomische Meilen (entspricht 53 km europäisch) Flußlänge zwischen den beiden Städten.



Unter-KAPPA 2.2.1 Erste Berichte

Das also ist das Estho. Wir übernehmen diesen Begriff als die Bezeichnung des Übergangsgewässers zwischen dem Fluß und dem Meer. Denn schon bei den ersten Fahrten merken wir, wie anders dieses Gewässer ist als der reine Fluß und das reine Meer, und es verdient einen eigenen Namen (Fachausdrücke 5: 44).

Diese Karte umschreibt das Land Aklanpa und insbesondere
das Estho, in dem der Geroner-Bericht spielt.
Die Skala am unteren Rand kennzeichnet 4 x 10 lomische Meilen.
Das Himmelsrichtungs-Kreuz ist genordet. Dunkel gezeichnet
die Gebirge. Die Spitzen der Berge Kerlion, Balnkasen und
Alan Umbrar seht ihr als dicke Punkte eingetragen, die Linien
dazwischen sind Peil-Linien für die Seefahrt, ähnlich die Peil-Linie
zwischen den Kaps Nananianh und Umbran.Sie sind in Verbindung 
mit dem Kompass und seinen Peilungen zu benutzen.


Die Ufer und der Fluß:
Noch in Sichtweite von Ekro Krinath {Minas Tirith} sind östlich die Ausläufer des Alan Gratz (Fachausdrücke 5: 53), westlich die Ausläufer des Alan Glazinian (Fachausdrücke 5: 54) zu sehen. Am Ende des Glazinian ragt der Krinassi-Berg hoch, auf dem seit ein paar Jahren ein Beobachtungsturm steht, auf dem auch ein Feuer brennt, tags mit Rauch, nachts mit hellem Schein – es dient den Reisenden auf dem Wasser und zu Lande zur Orientierung. In friedlichen Zeiten ist er für jeden Menschen geöffnet, um die weite Aussicht zu genießen und das Land kennen zu lernen. Ähnliche Türme werden auf den Südspitzen des Alan Gratz und des Alan Gratz-ki erbaut (Fachausdrücke 5: 55).

Noch unter den alten Mauern der Stadt ist eine kleine Stromschnelle, wir vermuten, daß dort ein flacher Felsrücken am Boden liegt, ein letzter östlicher Ausläufer des Alan Glazinian, oder eine unterirdische Fels-Verbindung zwischen dem Glazinian- und dem Gratz-Gebirge.

Hier ist der Hafen. Doch der wichtige Überseehafen des Reiches ist in Abyssál. Ekro Krinath dehnt sich entlang des Flusses noch weitere 1½ Meilen aus, hier sind schöne neuere Häuser, ein paar Schlösser und private und öffentliche Parks. Dann kommen Weinfelder an den Hängen des Krinassi-Berges.

Was meine ich mit Schlösser? Besonders schöne, meistens große Gebäude, in denen hohe Staatsdiener und überhaupt reiche Menschen wohnen. Mehr aber gibt es dort Museen, Konzerträume, Festräume, Schulen, Akademien oder ähnliches, die jedem Menschen zugängig sind, und in denen alle Menschen genießen können.

An der Ostseite des Flusses (am linken Ufer) sind Viehweiden und weiter landeinwärts Felder, ein paar Dörfer gibt es dort, einige sind Fischersiedlungen. Doch weiter seewärts säumen nur noch Schilfwälder den Fluß, sie sind umso ausgedehnter, je mehr wir uns dem Meere nähern.

15 Meilen meerwärts von Ekro Krinath trennt sich der Fluß in zwei Arme, und auf der so entstandenen Insel gibt es ein paar kleine Fischersiedlungen.

25 Meilen meerwärts von Ekro Krinath trennt sich der Fluß abermals, und es entstehen die Insel Khand und zwei mächtige Flußarme, die sich weiter meerwärts noch weiter aufteilen. Auch hier finden wir überall Fischersiedlungen, doch auch weite Schilfwälder.

An ihrem südwestlichen Ende ist die Khand-Insel unbesiedelt, doch von dichten Pappeln- und Erlenwäldern bedeckt und von zahllosen kleinen Kanälen durchzogen. Hier gibt es auch weite Strände, und wie wir mal dichter heran treiben, sehen wir: es sind dort große Baumleichen angeschwemmt.

Alle diese Inseln bestehen wie die Ufergebiete aus Sand und – wo keine Wasserströmung ist – aus Schlamm.

Wenige Meilen bevor wir Abyssál erreichen, nähern sich wieder Viehweiden dem rechten Ufer, und wir entdecken einige Bauern- und Fischerdörfer. Gegenüber (das heißt südlich) von Abyssál liegen die Balnkasen, ein Berg auf einer langen Insel.

Entlang dieser ganzen Strecke leben viele Fischer vom Fang, sie benutzen lange Netze, die sie von zwei oder mehreren verankerten Booten aus im Wasser hängen haben. Die Boote sind mit viel Fantasie bunt bemalt, manche ahmen Tiere nach, sehen mit großen Augen den Fluß entlang oder in die Tiefe. Manche haben ein oder zwei Flossen an jeder Seite – wie ein Fisch.

In der Nähe der Dörfer stehen Wälder von Stellnetzen am Ufer, sie hängen still an bunten Holzstangen, die in Reihen quer zum Ufer stehen und mit einem Geflecht von Seilen verbunden sind. Sie sehen aus wie ein großes Gewirr von Spinnennetzen.

Überall sehen wir auch Handelsschiffe den Fluß quellwärts oder seewärts fahren. Die Seeleute machen spöttische Bemerkungen über unsere Art der Seefahrt: wir lassen unser Boot ja treiben ohne Segel oder Ruder zu benutzen, und das erscheint einem Seemann sehr ungewöhnlich und gefährlich. Diese Schiffe nutzen einmal die Strömung bei Flut landeinwärts, bei Ebbe meerwärts. Doch Segel und Ruder nutzen sie zur Korrektur, Segel auch zum Antrieb, wenn der Wind günstig steht.

Die Fischer benutzen ähnliche Schiffe um ihre Ware zu verteilen, besonders in die Städte.

Und schließlich treffen wir immer wieder Boote, die den Strom queren, sie verbinden die beiden Ufer. Nach den Gesetzen der Seefahrt müssen sie uns ausweichen, da wir eine königliche Standarte tragen. So können wir unsere Forschungen vom treibenden Schiff aus ungestört fortsetzen.


Die Strömungen: Wir lassen unser Schiff – das auch solche Seiten-Flossen hat – mit den Strömungen treiben. Die Flossen werden ins Wasser hinab gelassen und halten das Schiff an den Strömungen fest. Wir sehen hier wieder etwas, das wir noch nicht richtig verstehen – wir haben´s bisher nur am Belgur-See etwas genauer beobachtet: Die Strömung geht nicht etwa nur von den Quellen über den Fluß ins Meer sondern wird im regelmäßigen Wechsel meerwärts und landeinwärts, quellwärts getrieben. Das nennen die Seeleute und Fischer „Ebbe“ beziehungsweise „Flut“. Es gibt also drei Strömungen, die sich überlagern: die Strömung des Flusses selbst, die Ebbe-Strömung und die Flut-Strömung. Und ein Viertes sind die Wirbel, die sich allenthalben bilden, aber wir sind nicht in der Lage, die Wirbel zu verstehen. Wir sehen aber, daß durch das Verwirbeln an den Ufern eine entgegengesetzte Strömungsrichtung besteht – entgegen der Strömung in der Flußmitte. Auch das hatten wir schon am Belgur-See gesehen.

Fünftens haben wir die Vermutung, sehen es aber nicht, daß Wasser von der Oberfläche nach unten sinkt oder von unten an die Oberfläche aufsteigt. Ein Sechstes können wir auf der Reise auch nicht beobachten, doch wir sahen es vorher im Hafen von Ekro Krinath: der Wasserstand steigt während der Flutzeit und fällt mit der Ebbezeit. Der Unterschied beträgt 1½ Mannshöhen (Fachausdrücke 5: 15), in Abyssál aber nur 1 Mannshöhe.

Wir sind bei beginnender Ebbeströmung (also etwa beim höchsten Wasserstand, Genaueres dazu unter Fachausdrücke 5: 59) von Ekro Krinath losgefahren und treiben eine lange Strecke meerwärts, doch nach 8 Stunden wird diese Strömung sehr schwach und dreht sich nach 9 Stunden schließlich um, nun treibt unser Boot wieder quellwärts (das Flußbett hinauf, in Richtung zur Quelle). Nach weiteren 4 Stunden treibt es uns weiter in Richtung Meer. Insgesamt nun schon 13 Stunden.

Jetzt treiben wir nur noch 8½ Stunden meerwärts, danach wieder 4½ Stunden landeinwärts. Und so geht es weiter bis wir nach vielen solchen Wendungen schließlich in den Hafen von Abyssál reinsegeln. Von Mal zu Mal dauert die Flut-Strömung länger bis sie schließlich bei Abyssál fast so lang dauert wie die Ebbe-Strömung, nur noch ½ Stunde Unterschied finden wir. Und wir vermuten, daß diese ½ Stunde Unterschied erzeugt wird von der reinen Fluß-Strömung. Und die Strömungen sind schwächer, fast geschieht nichts mehr.

Das ist nur diese eine Beobachtung, wahrscheinlich ist aber alles viel verwirrender. Wenn ich Vermutung schreibe, werden wir daraus eine „Behauptung“ formulieren, diese prüfen und das Ergebnis der Prüfung als „Beweis“ nehmen. Der Beweis steht entweder für die Richtigkeit oder Falschheit der Behauptung. Dennoch: die Erfahrung ist uns das Wichtigste.

Solche Behauptungen werden wir auch aus noch weiteren Beobachtungen formulieren, um sie genauer zu prüfen. Zum Beispiel haben wir uns vorgenommen, solche Fahrten zu wiederholen um zu sehen, ob unsere Beobachtungen nur einmal vorkamen oder sich immer wieder ergeben. So verfeinern sich unsere Beobachtungsergebnisse immer mehr. Denn erst wenn sich eine Beobachtung häufig wiederholt, wird unsere Beschreibung immer feiner und wahrscheinlicher. Und erst dann können wir sehen, wie es kommt, daß das Ergebnis dennoch nicht immer ganz gleich ausfällt und die Beschreibung nur ungefähr stimmt. Wir erkennen dann noch weitere Ursachen für das, was wir da draußen sehen und schließlich messen.


Die Wassertiefen: Wir haben ein Seil mit Marken in regelmäßigen Abständen (2 Ellen) mitgenommen und ein Bleigewicht daran gehängt. Damit messen wir immer die Wassertiefe. Bald merken wir, daß sie in der Mitte des Stromes am größten ist, und wir versuchen mit leichten Manövern das Boot immer in der Mitte zu halten, um dort die Tiefen zu messen. Dieses ist das erste Mal, daß wir während unserer Forschungen etwas „messen“. Es ist schwierig, genau zu wissen, wo wir jeweils sind, und wir können bestimmte Beobachtungen nicht einfach in die Karte einzeichnen, die auf dem Schiff bereit liegt.

Deswegen planen wir, in Abständen von 1 Meile entlang des Ufers Schilder aufstellen zu lassen, auf denen der Meilen-Abstand vom Hafen von Ekro Krinath als große Zahl aufgemalt ist.

Wo das Flußbett breiter wird oder sich verzweigt, finden wir, daß es in der Mitte etwas flacher ist als weiter nach Ekro Krinath hin.


Der Untergrund: Der Anregung eines alten Seemanns folgend, haben wir an der Unterseite des Bleigewichtes ein Loch eingelassen, das im Durchmesser wie ein Fingerglied ist und einen Kleinen Finger lang ist. In das Loch schmieren wir Talg (Fachausdrücke 5: 3). Beim Loten – das ist der Seemanns-Ausdruck für die Tiefe Messen – finden wir oft etwas vom Grund – Sand oder Kies oder Ton oder Muschelschalen –, besonders wenn wir das Gewicht unten fest aufstoßen. So erkennen wir, daß der Grund in der Mitte des Flusses aus Sand oder Kies besteht, dem Rand zu aber tonige oder gar schlammige Stellen hat.


Die Farben des Wassers: Bei Ekro Krinath ist das Wasser glasklar. Im Gebiet von Abyssál aber gibt es eine eigenartige Sache: Kurz nachdem die Flut begonnen hat, wird das Wasser trübe, um so trüber, je näher wir dem Ufer sind und je weiter wir uns Abyssál nähern (Fachausdrücke 5: 1). Doch nach einer halben Stunde wird es wieder klar. Wir haben die Vermutung – doch das ist eine vage Vorstellung, die wir prüfen wollen –, daß nahe dem Ufer die neue Flut-Strömung so stark auf schlammigen Boden trifft, daß erstmal Schlamm aufgewirbelt wird, der sich schnell wieder zu Boden absetzt – wieso, gilt es auch zu erforschen. Und dieser Schlamm trübt das Wasser.

Ton? damit bezeichnen die Seeleute einen sehr feinen Schlamm, in dem weiter keine Stengel, Blätter, Muschelschalen oder anderes ist. Ton ist sehr rein, und er wird vielfach für die Töpferei benutzt. Allerdings gibt es auch an Land viel Ton, besonders in alten Flußbetten. Dort wird er dann gefördert und an die Töpferei-Industrie weiter gegeben.  Später haben wir weiter seewärts in den Tiefen einen Ton gefunden, der nach dem Brand schneeweiß ist. Wegen der großen Entfernung von Land ist die Förderung aufwendig, und die weißen Tonwaren sind sehr wertvoll.
 

Die Salzigkeit: Bekanntlich ist Meerwasser sehr salzig. Wenn man es trinkt, kann man es zur Darmreinigung benutzen, da sehr bald Durchfall auftritt. Dennoch haben wir entlang der ganzen Fahrtstrecke das Wasser probiert und finden, daß es einige Meilen vor dem Erreichen Abyssáls leicht salzig ist und umso salziger, je mehr wir uns Abyssál nähern. Ob das vielleicht anzeigt, wie viele Anteile Fluß- und wie viele Anteile Meerwasser an dieser Stelle sind? Wir wollen diese Vermutung schnell prüfen, denn eine solche Aussage könnte die Grundlage für weitere Erkenntnisse sein.


Die Veränderungen mit dem Treiben: Die ganze Strecke von Ekro Kriniath nach Abyssál treiben wir scheinbar (!) in demselben Wasser, wir nennen dieses einen Wasserbatzen (Fachausdrücke 5: 34). Wir denken zunächst, daß wir die ganze Strecke lang auf demselben Wasserbatzen treiben. Doch zeigen unsere Beobachtungen, daß in eben diesem selben Wasserbatzen Veränderungen passieren. Das ist eigenartig: denn einerseits bleiben wir im selben Batzen, bewegen uns nicht hinaus, fahren nicht weg. Doch andererseits verändert er sich selbst: wir schmecken, daß er salziger wird, je weiter wir uns dem Hafen von Abyssál nähern, doch wenn wir den Strom wieder hinauf getrieben werden, also quellwärts, wird er wieder weniger salzig. Nun setzt wieder unser Denken ein: was ist der Grund? wir können uns das nur erklären, daß das Wasser im Batzen sich mit anderem Wasser vermischt ohne daß wir es sehen.

Auch wird das Wasser im Batzen abwechselnd trüber oder klarer. Auch hier bleibt uns anfangs nur das Denken: entweder vermischt sich unser Wasser mit anderem, das trüber oder klarer ist, oder irgendwie wird Schlamm aufgewirbelt, der das Wasser trübt. Und tatsächlich: gelegentlich beobachten wir wie dicke Schlammwolken aus den Tiefen des Flußbettes an die Wasseroberfläche schießen und sich ausbreiten. Und dann wird das Wasser trübe. Einerseits geschieht das, wenn wir in Ufernähe gelangen. Andererseits sind diese Schlammwolken besonders auffällig kurz bevor die Ebbe zu Ende geht und die quellwärts gerichtete Flutströmung beginnt. Wahrscheinlich beginnt die Flutströmung als ein Stoß am Grund, und dann zeigt sich das folgende Bild:

so ungefähr sah es aus, doch nun mal scharf gezeigt:

wir sehen auf die Wasseroberfläche und beobachten
das Aufquellen von sehr trübem (Ton-trübem) Tiefenwasser,
das kleine Bild zeigt, was in Wirklichkeit über drei Ellen lang und zwei Ellen breit ist.
In der Mitte schießt das trübe Wasser hoch, und wie es sich nach den Seiten
ausbreitet, wird es klarer: vielleicht vermischt es sich mit dem klareren
Oberflächenwasser oder Schwebteilchen sinken schon wieder nach unten.


Die Wärme: Das reine Flußwasser ist etwas wärmer als das gemischte Wasser bei Abyssál. Doch das ist schwer abzuschätzen, da nur unsere Hände und Zungen die Wärme empfinden können.


Die Tiere: Das Flußwasser führt jedoch Blätter, Stroh, Zweige und dergleichen an der Oberfläche mit. Wenn sich aus dergleichem Material schwimmende Inseln gebildet haben, sitzen gelegentlich Wasserhühner darauf und lassen sich mit treiben. Doch manche Vögel haben auch ihre Nester auf diesen Inseln gebaut. Außer den bereits erwähnten Vögeln haben wir sehr viele Tiere gesehen, mehr als gewöhnlich an Land. Überall stoßen weiße spitzflüglige Vögel ins Wasser, um kleine silbrige Fischchen heraus zu holen und weg zu tragen, vielleicht zu ihrem Nest. – Große schwarze Vögel tauchen tief ins Wasser und holen schlangenartige Fische heraus, wie wir es schon in der langen Bucht des Belgur-Sees gesehen hatten.

Ich zitiere hier nochmal unseren alten Berichtstext vom Belgur: KAPPA 1.2: „Schwarze Vögel mit einer glänzend weißen Haube auf dem Kopf schwimmen auf dem Wasser, halten den Kopf aber immer wieder ins Wasser bis sie etwas sehen, was sie fangen wollen, tauchen flink und kommen mit einem Fisch im Schnabel wieder nach oben. Wir überlegen, man müsste ihnen einen Ring um den Hals legen, so daß sie den Fisch nicht verschlingen können, und ihnen den Fisch abnehmen. Später höre ich, daß einige Fischerdörfer in dieser Gegend so verfahren.“ – Zahllose Enten, Schwäne, Gänse und andere schwimmen auf dem Wasser, lassen sich mit treiben und fliegen wieder landeinwärts. Manchmal kommen sie und lassen sich füttern, oder sie möchten mit uns schnäbeln, was ja mangels menschlicher Schnäbel schwierig ist. – Es ist hier unmöglich, allen Vögeln gerecht zu werden, die wir sehen. Nachts hören wir viele Vögel, doch wir können die Schreie nicht zuordnen.

Im Wasser sehen wir Fische und Krebse, doch umso weniger Fische und Krebse je mehr wir uns Abyssál nähern – wieso, wollen wir noch erkunden. Doch ist das eine wesentliche Frage?

An manchen Stellen sind viele Mücken in der Luft, die uns stechen wollen. Auch Bremsen kommen, Schmetterlinge und andere Landinsekten.

Mehr kann ich hier über die Tiere nicht mitteilen. Von Fischern werden wir uns noch einiges berichten lassen.



Unter-KAPPA 2.2.2. Die Gruppe

Wir sind wie gesagt vier Frauen und fünf Männer auf dem Boot – die Männer sind die Gruppe, die schon seit einem Jahr zusammen ist. Von den Frauen weiß Masna noch immer nicht, ob sie der Gruppe beitreten will, vielleicht wenn sie besser krinisch gelernt hat. Außerdem sind noch sieben Seeleute an Bord. Die vier Frauen haben keine Ausbildung in den natürlichen Kenntnisschaften, stammen aber aus Familien, die mit Fischerei und Seefahrt zu tun haben oder – wie es mit Masna steht – mit Schafe hüten, sie kennt das Gebirge mit seinen Sturzbächen und Seen und Gletschern. Diese Frauen wissen daher vieles über die Natur des Wassers, mehr als wir Männer. Auch ihre Art zu beobachten und das, was sie gesehen haben, zu beschreiben ist meistens ein wenig anders als bei uns Männern. Das haben wir erwartet und gewünscht.

Haben nun die Frauen hier etwas anderes gesehen? Nein, sagt Ermini, deine Beschreibungen sind schön und hilfreich zum ersten Verstehen. Ich möchte aus deinen Beschreibungen Bilder malen, ich möchte das alles in Bildern darstellen, mal sehen, was dabei herauskommt.




–> KAPPA 2.3 Weitere Berichte und Beobachtungen

Unter-KAPPA 2.3.1 Am Hafen
Nun beschließen wir, an einem Schiffsanleger an der Hafenmole den Strom weiter zu beobachten. Sieben von uns Forscherinnen und Forschern setzen sich an den Strom und beobachten einfach und notieren, was wir sehen. Ermini aber malt das Strömen von einem Turm aus, der vor dem Hafen weit draußen im Strom steht. Masna ist bei ihr, denn sie liebt die Blicke aus der Höhe. Viele Aquarelle entstehen, eine Serie beschreibt die Zeit vom Niedrigwasser über die Flut bis zum Hochwasser, also über – wir erschrecken – über 4½ Stunden, und danach. Das ist kürzer als während unserer Herfahrt, da waren es 6½ Stunden. Wie kommt das?



"Ermini´s Leuchtturm" von Abyssál



Wir beschließen, die Strömungen und die Wasserstände über eine lange Zeit zu beobachten und aufzuschreiben.

Nun zu Ermini´s Bildern : Als der Wasserstand am niedrigsten war, stand das Wasser still. Doch wie die Flut-Strömung begann, tauchten erst Flecken, dann lange Streifen von Schaum auf. Auch sah sie wieder, wie das Wasser für eine kurze Zeit trüber war, besonders an den Ufern (Fachausdrücke 5: 1). Einen Keil bildend zogen sich zwei Schaumstreifen mit der Flutströmung, wobei die Spitze quellwärts zeigte. Im Keil war die Wasseroberfläche hell und glatt, doch an den Seiten, außerhalb des Keils, war sie dunkler und kraus. Das hatte sie von ihrem erhöhten Platz aus gesehen. Als das Wasser am höchsten stand, war es wieder still und glatt, aber dunkel. Es schien, als ob das Wasser nun tiefgründiger sei, so dunkel war es. Der Schaum-.Keil blieb noch einige Zeit erhalten, doch als vom Fluß her die Strömung der Ebbe einsetzte, verwirbelte sich das Bild, der Keil verschwand.

Flutkeil (der weiße Schaum) mit den Balnkasen im
Hintergrund, vom Leuchtturm von Abyssál aus.
So etwa sieht es aus, doch dieses Bild ist eine grobe Skizze,
nicht aus Ermini´s geschickter Hand sondern von meiner.


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Ermini´s Aquarelle, die Streifen usw

Dann wendete sich die Strömungsrichtung wieder meerwärts. Die Oberfläche war nun ölig glatt, doch es bildeten sich große Kreisflächen, die sich drehten, alle im selben Sinn, rechts herum. Es schien, daß in der Mitte solcher Kreisflächen Wasser nach oben quoll. Diese ganze Erscheinung floß meerwärts ab.

zwei Wirbel aufquellenden Wassers, vom Leuchtturm aus gesehen.

Als während der Flut-Zeit die Schaumstreifen erschienen, sah Ermini weiße Vögel, die über dem Schaum schwebten und ab und zu hinab stießen – wie die weißen Vögel, die wir schon früher silberne Fischchen herausholen sahen.

Sie sah auch, daß Richtung und Höhe der Sonne das Bild beeinflußte. Es gelang ihr aber nicht, das im Aquarell darzustellen.

Immer wieder versuchte Ermini uns zu zu winken und auf besondere Erscheinungen hin zu weisen. Doch wir sahen fast nichts von dem, was sie sah. Unser Platz liegt zu niedrig. Doch die Vögel können wir besser beobachten, wie sie auf und abfliegen, Kreise in der Luft drehen, sich ins Wasser stürzen, wieder aufsteigen und riskante Flugfiguren fliegen, miteinander wettstreitend.


Unter-KAPPA 2.3.2. Meerwärts

Nun wollen wir meerwärts von Abyssál fahren. Für diese Fahrt nehmen wir uns zehn Tage, es ist dasselbe Boot und es sind dieselben Leute. Doch es begleitet uns noch eine Frau, Anandi, die Karten machen kann und auch aus der Seefahrer-Akademie ist. Sie nimmt – wie Ermini – viel Papier und Stifte mit. Das Wetter ist windig, und obwohl der Wind warm ist, wird es uns kalt.

Wieder beobachten wir in der Weise wie während der Fahrt von Ekro Krinath nach Abyssál, doch wir lassen das Schiff nicht treiben sondern segeln eine bestimmte Strecke. Wir zeichnen die folgenden Beobachtungen auf:


Die Ufer: Der Strom weitet sich nun und hat eine Breite von 2 bis 5 Meilen und später noch mehr. Weite Schilfwälder stehen auf beiden Seiten, doch es gibt Inseln, auf denen auch kleine Baumgruppen stehen, manche Inseln tragen auch niedrigen Wald (Fachausdrücke 5: 2). Im Strom tauchen immer mehr Inseln auf, die ganz kahl und sandig sind oder auf denen nur einzelne verkrüppelte Bäume stehen. Wir haben den Eindruck, daß die sandigen Inseln wandern, während die bewaldeten am Ort bleiben. Vielleicht halten sie sich an einem Felsen fest, der unter der Wasseroberfläche liegt.

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die Blicke über das Estho, Inseln, Wald darauf


Weit draußen – 4o lomische Meilen meerwärts von Ekro Krinath – steht die Insel Balnkasen . Ein steiler und hoher Berg kröhnt sie. Zwischen diesem Berg und einerseits dem Kerlion als auch andererseits dem Alan Umbrar denken wir uns zwei Linien, die wir als Wegmarken nehmen – wie es bei den Seefahrern üblich ist. Diese drei Berge sind auf der Karte durch je einen schwarzen Punkt angegeben.


Balnkasen
Oben von Süden aus gesehen, hinter dem Inselberg liegt Abyssál,
ganz hinten links seht ihr die Berge des Alan Kala-Ben.
Unten von Westen aus gesehen


Der Blick aufs ferne Alan Kala-Ben erinnert uns Männer der ersten Wochen an die Fahrt zu den Pavitrani-Tempeln. Wir fragen uns nun, ob wir tatsächlich das Gelernte in unser Forschen einbringen, und sehen ein, daß wir nicht wach genug sind: oft träume ich vor mich hin und tue meine Arbeit recht mechanisch – das war nicht das Ziel unserer Reise damals.

Nun gelangen wir ins Meer, etwa dort, wo wir vor 1 ½ Jahren schon mal waren. Zwischen der Insel Nanania und dem Kap Umbrár denken wir uns eine weitere Linie zur Orientierung. Meerwärts von dieser Linie ist das Offene Meer, wir sehen kein Land mehr.


Die Strömungen und Wirbel: Je weiter wir uns dem Meer nähern, desto schwächer werden die Strömungen, die durch Ebbe und Flut hervorgerufen werden. Von der Flußströmung merken wir bald nichts mehr, doch wir sollten die Strömungen genauer messen, wissen nur nicht, wie. Mainot, einer unserer Mit-Forscher, beginnt immer mehr Begeisterung zu entwickeln, Geräte zu erdenken und auf zu zeichnen, mit denen wir Strömungen und anderes messen könnten.

Was wir aber weiter draußen sehen, sind große Wasserwirbel, vor denen wir Angst haben, denn wir wissen nicht, was sie mit unserem Schiff machen, schließlich könnte der Wind nachlassen und uns den Wirbeln ausliefern. Wir versuchen sie zu umgehen, doch sie wandern schneller als wir. Ich muß an die Geschichte denken, wie sich jemand in einem Gebirgsfluß den starken Wirbeln ausgeliefert hat und heil wieder ausgespien wurde. Ob das hier auch so geht?


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großer Wirbel

Der Wind ist schwach und hält uns nicht auf unserem Kurs. Ein Wirbel kommt an und dreht unser Schiff so schnell, daß wir das Großsegel fallen lassen müssen. Ich frage mich, wie die Schiffer auf den großen Seglern mit so etwas umgehen. Gondas, der alte Kapitän beginnt alte Geschichten zu erzählen, in denen es wirklich gefährlich wurde. Einmal sei er mit einem kleinen Flachbodenschiff bei schwerem Sturm in einen solchen Wirbel geraten; das Schiff sei ganz schnell gedreht worden und weil sie nicht so schnell die Segelstellung an die ständig wechselnde Lage anpassen konnten, sei schließlich der Mast gebrochen und alle Segel hätten wirr auf dem Deck und im Wasser gelegen. Nun hatte der Wind keinen Einfluß mehr, und obwohl das Schiff wie bei einem schweren Erdbeben geschüttelt wurde und alles – Ladung, die Kombüse, die Betten – durcheinander geworfen wurde, warf der Wirbel das Schiff schnell seitwärts raus und der nachlassende Wind trieb es langsam an den Strand, wo es mit flachem Kiel auflief und gerettet war.

Wir denken über diese Geschichten nach und merken: es geht um zwei verschiedene Formen von Wirbeln: erstens solche, bei denen Wasser in der Mitte an die Oberfläche aufsteigt und seitwärts verschwindet. Das ist der Wirbeltyp, dem das Flachbodenschiff zum Opfer fiel.

Und zweitens solche, in denen das Wasser an der Oberfläche nach innen gezogen wird und nach unten verschwindet. Ich erinnere an die folgende Bemerkung: "Ich muß an die Geschichte denken, wie sich jemand in einem Gebirgsfluß schwimmend den starken Wasserwirbeln ausgeliefert hat und heil seitwärts wieder ausgespien wurde."

Außerdem drehen sich manche Wirbel rechts, andere links herum. Doch wir verstehen nicht, was das bedeutet. Im Fluß denken wir uns, daß die Form des Flußbetts die Wirbelrichtung lenkt.



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zwei Typen von Wirbeln


Mit dem Tiefenwasser, das in der Wirbelmitte an der Oberfläche sichtbar wird, werden Schlamm – wie wir schon weiter quellwärts von Abyssál beobachteten – und Lebewesen nach oben getragen. Doch hier ist kaum Schlamm am Boden, die Wirbel trüben das Wasser kaum. (Fachausdrücke 5: 67)

Manchmal sehen wir Wirbel der zweiten Sorte, die Wasser in ihrer Mitte von der Oberfläche nach unten ziehen. Schwimmende Teile wie Holzstückchen und Schaum reichern sich hier an, und das Wasser ist an diesen Stellen übersät mit ihnen und wirkt dreckig. Doch ich sah auch mal, wie Baumäste nach unten gezogen wurden, das war unheimlich! Es schien, als wehrten sie sich gegen den Sog, und manche mussten schließlich nachgeben und verschwanden. Ich war froh, hier nicht zu schwimmen und hatte Angst, daß es so große und starke Wirbel gebe, daß sie unser Schiff erfassen könnten. Doch Gondas sagt, das hätte er noch nie gehört oder gesehen.


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Baumstamm wird nach unten gezogen

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im Wirbel aufquellender Schlamm

An einer Stelle sahen wir, wie solche Baumstämme an die Oberfläche schossen – der Wirbel hatte sie seitwärts wieder ausgespien. An so einer Stelle schlotterten wir vor Angst, daß so ein Stamm unser Schiff von unten treffen könnte und versuchten, schnell wegzufahren.


Die Tiefen: Wo der Strom schmal ist, ist es tief, manchmal bis zu 6 Mannshöhen, an einigen Stellen auch noch mehr. Doch wo der Strom breit ist, messen wir meist nur 1½ Mannshöhen. Anders ist es zwischen Balnkasen und dem Alan Kala-Ben: nahe bei den Ufern ist es bis zu 5 Mannshöhen tief, in der Mitte des Stromes aber ist es flacher, 2 Mannshöhen, und dazwischen liegen Sandbänke. Noch weiter meerwärts wird es tiefer, und das Flußbett ist zu Ende. So stellt sich uns die Form des Bettes dar, obwohl wir nur wenige Messungen gemacht haben. Doch auf den Seekarten ist es ebenso vermerkt.



Der Untergrund: Wir finden fast nur Sand. Doch nahe dem Ufer bei Balnkasen und südöstlich des Alan Kala-Ben sehen wir im Wasser festen Fels, und wir vermuten, daß er sich im Wasser – auch unter dem Sand – fortsetzt, denn wir finden keine Spuren im Loch unseres Lotes, und wenn wir mit dem Lot unten aufstoßen, klingt es hart, also ist der Grund fest.


Die Farben des Wassers: Das Wasser ist erst mittelblau, doch zwischen den beiden Bergen wird es dunkler bis es meerwärts die Farbe des Meerwassers annimmt: dunkelblau, jedenfalls bei Sonnenschein. Außer in der Gegend von Abyssál, wo der Strom noch schmal ist, ist das Wasser nie mehr trübe. Auch meerwärts von Abyssál machen wir eine gleiche Beobachtung wie weiter quellwärts, daß das Wasser sich nämlich nahe den Ufern bei beginnender Flut-Strömung trübt doch bald wieder klar wird. Wir haben nun einen Glasbecher mit, schöpfen Wasser hinein und sehen genauer, wie trübe es ist. Und wir sehen, was die Trübung verursacht: sehr feine braune Teilchen schwimmen im Wasser. Doch wenn wir das Glas abstellen, wird es bald wieder klar, die trübenden Teilchen sinken zu Boden – darauf weist uns einer der Seeleute hin. Er sagt, über diese Sache wüßten die Fischer viel mehr zu berichten.


Die Salzigkeit: Das Wasser wird immer salziger, je mehr wir uns dem Meer nähern. Wir sehen bestätigt, daß die Salzigkeit anzeigt, wie viele Anteile Fluß- und wie viele Anteile Meerwasser an dieser Stelle sind. Doch müssen wir das noch genauer untersuchen und durchdenken.


Die Wärme: Das Wasser wird zum Meer hin kühler.


Die Tiere: Wir sehen hauptsächlich Vögel, doch je weiter wie ins Meer fahren, desto weniger. Auch sind es andere Arten als im Gebiet zwischen den Ufern. Die kleinen Segel, von denen ich am Anfang berichtete, sehen wir diesmal nicht. Ermini macht Skizzen mit der Feder und einige Farbskizzen mit Aquarellfarbe. Wir sammeln aber keine Tiere oder Pflanzen für Ermini´s Arbeiten – mit einer Ausnahme: wir finden die Leiche eines wunderschönen Vogels auf der Wasseroberfläche treiben, die wir mitnehmen. Sie wird uns noch sehr beschäftigen. Zuhause legen wir den Vogel in einen kühlen Keller, in den man Eis aus dem letzten Winter gelegt hat.


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Vogelleiche


Wir sehen Fische, die aus dem Wasser springen und sich wieder hineinfallen lassen, sie sehen wie eine große viereckige, seitwärts spitz verlängerte Platte aus und ziehen einen langen dünnen Schwanz hinter sich durch die Luft. Wenn sie wieder auftreffen, spritzt viel Wasser hoch und es gibt ein großes platschendes Getöse. (Fachausdrücke 5: 19). Allerdings ist es uns erstmal nicht klar, ob das wirklich Fische sind.


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springende Rochen

Auf den Sandbänken sonnen sich allerlei große Tiere, die wir zusammengefasst "Robben" nennen. Ich kenne einige Meerestiere aus Büchern, und so ist es schön, sie hier das erste Mal lebendig zu sehen und mit Namen zu kennen. Die kleinsten Robben, die sich dort sonnen, sind nur etwas länger als eine Mannshöhe. Doch andere sind so groß, daß sie ihren Kopf eine Mannshöhe hoch aufrecken, besonders wenn sie ihren weit tönenden dunklen Ruf ausstoßen. Die größten haben einen massiv dicken Körper, aus dem mit Borsten umgebenen Mund hängen zwei lange gebogene Zähne heraus. Wie uns später eine Fischersfrau erzählt, brechen sie damit Muscheln zur Nahrung vom Grund los. Obwohl die meisten Robben schlicht dunkelgrau aussehen, gibt es welche, die große gelbe Flecken auf dem Fell haben und auf dem Kopf eine Haube, die sie aufrichten können, oder die seitwärts abgeklappt ist. (Fachausdrücke 5: 2o)


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Robbenbank


Die Forschergruppe: Anandi, die Frau, die Karten zeichnen kann, wird nun Mitglied unserer Forschergruppe. Sie hat eine lange Ausbildung bei den berühmtesten Kartenzeichnern von ganz Aklanpa (Fachausdrücke 5: 67) hinter sich. Wir freuen uns, daß sie bei uns sein will.


Das Ergebnis: Nun haben wir einen kleinen Überblick über die ganze Fluß-Länge von Ekro Krinath bis zum Meer. Wir glauben jetzt, dieses Gebiet zu kennen, es ist uns ein wenig vertraut geworden – doch schon am Ende dieser Reise lehrt uns der Fluß etwas anderes: es kommt nämlich ein heftiger Sturm auf, der vom Süden her in den Mündungstrichter hinein bläst.



Unter-KAPPA 2.3.3. Der Sturm
Mühsam versuchen unsere Seeleute den Rest Wind auszunutzen, der uns von Norden her schwach entgegen weht. Wir müssen kreuzen, das heißt, wir lassen den Wind mal von der rechten Seite, dann wieder von der linken Seite ins Segel wehen und müssen hierzu immer wieder den Kurs ändern: im Zickzack bewegen wir uns sehr langsam in den Flußtrichter hinein. Da sehen wir, wie sich im Süden hohe Wolkentürme bilden, die an der unteren Seite schwarz sind. Es sieht grausam aus. Aus dem unteren Rand kommt etwas wie eine breite graue Wolkenwalze heraus und fliegt auf uns zu, sie ist so breit, daß sie von unserem linken zum rechten Sichtfeld reicht. Besonders die Seeleute, die dergleichen kennen, ahnen Schlimmes und machen sich bereit, die Segel fallen zu lassen. Es beginnt zu regnen, einfach und noch sachte, doch dann wird der Regen stärker.


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im Sturm

Und dann kommt es, ein Schaumstreifen tobt unter der Walze von hinten, vom Meer her auf uns zu – doch noch immer weht dieser schwache Wind von Norden, und es regnet noch immer. Nun ist der Streifen nur noch eine halbe Meile entfernt. Die Seeleute nehmen alle Segel herunter bis auf das kleine ganz vorne, sie wollen damit das Boot vom Wind in den Fluß hinein ziehen lassen, doch nicht eben schnell.

Plötzlich ist alles da: der Regen hört auf, ein spitzer Windstoß kommt als erstes, und dann der Sturm. Das Boot wird erst vorne vom Wind ins Wasser gedrückt und bäumt sich dann auf, wie es schneller wird und auf den nachfolgenden Wellen reitend nach Norden rast. Wir sind umweht von Schaum. Zwei Männer am Ruder hatten sich vorher festgebunden, nun arbeiten sie hart, damit wir nicht quer schlagen. Alle müssen sich ganz fest halten, und alles beobachten, was kommt: damit der Kurs beibehalten wird, damit uns kein anderes Schiff in den Weg fährt, damit wir nicht auf einen schwimmenden Baumstamm auffahren ...

Doch wir beobachten auch die neuartige Natur:
Die Ufer selbst sind fast nicht mehr zu sehen, außer wenn wir in ihre Nähe kommen. Doch einmal erscheint ein ganz klarer Blick rechts neben unserem Kurs - wie in einem Fenster zwischen den Gischt-Fahnen um uns herum: ein Ufer, an dem spritzen die Wellen hoch und weiß auf, gefährlich nahe – doch gleich verschwindet das Bild wieder in der Gischt, die das Schiff umgibt.

Die Strömung war vorher meerwärts gerichtet. Doch wie der Sturm kommt, bäumt sich das Wasser auf und für eine kurze Zeit spritzt und schäumt es, bis die Strömung vom Wind umgekehrt ist und mit dem Sturm in den Flußtrichter hinein rast. Das Aufbäumen war es, was wir zuerst als Schaumstreifen von weitem ankommen sahen.

Die Farbe des Wassers wird nun schwarz, von vielen Schaumstreifen netzförmig überzogen. Nein, das Wasser können wir nicht prüfen, doch das Meer sieht von oben schwarz aus. Oben ist fast alles ebenso schwarz geworden, aber niedrige leuchtend helle Wolkenfetzen rasen unter einer höher gelegenen dunkelgrauen Wolkenschicht über uns weg. Das Heulen des Sturmes ist scharf und gräßlich, es scheint als ob schlimme Geister mit dabei sind, die alles zerfetzen wollen.

Die Salzigkeit: Alles ist salzig, die in der Luft fliegende Gischt drängt sich in den Mund und die Augen, Bärte und Hände: alles schmeckt salzig. Also – schließt Granina wild lachend – ist das Wasser auch salzig!

Die Tiere: Als der Sturm erst in der Ferne zu sehen war, flogen viele Vögel hoch, so entfernten sie sich aus dem Bereich der kommenden Gischt. Manche sahen wir noch hoch oben kreisen, doch wir vermuten, daß sie am Ende über die Sturmwolken hinauf gestiegen sind. Nur manche düster-dunkle lang- und spitzflügelige Vögel bleiben, ihnen scheint es Spaß zu machen, in der fliegenden Gischt ganz dicht über die Wellen und die Wellentäler zu streichen und mit ihren gelben Schnäbeln Meertiere zu suchen. Es scheint, daß vom Sturm manche Tiere an die Oberfläche getrieben werden, die diese Vögel nun schnappen. Wir nennen sie Sturmjäger (Fachwörter 5: 23).

ein Sturmjäger


Noch bevor der Sturm begann, retteten sich kleine grau-grüne Landvögel auf unser Schiff und verkrochen sich in Ecken und Löcher. Es rührt uns an, ihnen diesen Unterschlupf geben zu können und wir passen auf, daß wir sie nicht aufschrecken. Später, als der Sturm sich verzogen hatte, setzten sich einige von ihnen auf Mast und Seile und sangen – wie zum Dank – ihre süßen Lieder ..., welch ein Kontrast! (Fachwörter 5: 66)

Das Ergebnis: Mit dem Ende des Tages endet der Sturm wieder, die Reste des Windes treiben uns vor vollen Segeln wieder in die Strommündung hinein, wir können einen guten Ankerplatz finden. Noch ist der Himmel schwarz, und diese Schwärze geht schnell in die Nacht über. Wir können nicht weiter segeln, da nichts zu sehen ist. Alle bleiben wach und wollen die Wieder-Öffnung des Himmels und das Wieder-Erscheinen des Mondes erleben, der noch vor Sonnenaufgang auf dem Rücken liegend als schmale Sichel zwischen den letzten Wolken auftaucht.

Bei Sonnenaufgang segeln wir schließlich weiter in Richtung Abyssál. Der Sturm hatte das Wasser aufgewühlt, und man sieht es noch immer: es ist an manchen Stellen braun geworden von aufgewühltem Schlamm. Wir erkennen, daß es viele Schlammgegenden geben muß, von denen wir nichts wissen. Doch wir finden auch Wasserbatzen, die klar sind, sie waren wohl nicht in solchen Schlammgegenden geflossen als der Sturm brauste. Die Vögel sind wieder angekommen und leben wir immer. Meerestiere sehen wir nun nicht, nur Meerespflanzen, die die Brandung abgerissen hatte und die an der Oberfläche treiben – gelb und grün, andere braun. Obwohl wir schnell durch´s Wasser segeln, geht es gegenüber dem Land (Fachausdrücke 5: 24) sehr langsam vorwärts, denn die Strömung geht schneller als vorher in Richtung Meer, vielleicht hatte der Sturm viel Wasser in die Mündung gedrückt, das nun wieder abfließt. Die Strömung hält uns fest, wir können fast nicht gegenan segeln, so daß wir bald beschließen, wieder zu ankern um zu warten, bis sie nachläßt.

Ein neuer Begriff: Während der Fahrt entdecken wir, daß alles zwischen Ekro Krinath und der Meeresbucht von Ghanorin einen einheitlichen Namen verdient, wir nennen diesen gemeinsamen Teil des Flusses und des Meeres ”ESTHO” (Fachausdrücke 5: 22), das soll das Mündungsgebiet eines Flusses bezeichnen, also hier hieße es das ”Estho Geroner”. Später merken wir, daß unsere Kenntnisschaft die ”Estho-Lehre” heißen muß und das Wort von den Fischern stammt.



Karte des Estho (natürliches Estho)


Und wir, die Seeleute und Forscher? Der Sturm überfiel uns am Tag und alles war zu überblicken. Doch wäre es Nacht gewesen, ich glaube, wir hätten furchtbare Angst bekommen. Das Schiff wiegte sich wie eine Kinderwiege, als wir auf dem Sturm in den Flußtrichter hinein segelten, und wir genossen dieses Schaukeln. Die Frauen juchzten und schrien laut gegen den Sturm an und mochten am liebsten mit ihm fliegen. Es war wie eine volle Ekstase, die wir mit den ganzen Körpern genossen. Die Luft war warm, wir froren nicht obwohl alles naß war. Die Kleider der Frauen waren nachher schneller wieder trocken als unsere Männerhosen: wie der Sturm nachließ, weht der Wind um und unter die flatternden Kleider und trocknete sie, doch die Hosen lagen noch lange naß am Körper an.

Für die Forschergruppe ist dieses eine Prüfung: was können wir aushalten? Niemand ist angstvoll oder ärgerlich geworden. Wir haben auch diese Selbstdarstellung des Meeres ertragen und annehmen können. Sie wird Teil unserer Erfahrungen. Wieder hat sich ein Stück Meer in unseren Seelen eingenistet.



Unter-KAPPA 2.3.4. Abyssál, sein Hafen und der geplante Platz für die Akademie

Abyssál ist eine uralte Hafenstadt, sie hieß vordem Abyssálion {davor Pelagir, auch Pelargir}. Sie liegt am nordöstlichen Ufer des Geroner, etwa 4o Meilen auf dem Fluß meerwärts von Ekro Krinath (das entspricht 88 km europäisch). Bis zur offenen See sind es nochmal 8o Meilen, das heißt bis zu einer geraden Linie zwischen dem Kap Umbrán und Kap Nananianh. Auf beiden Kaps stehen hohe Türme mit einem Feuer auf der Spitze, die gut als Peilmarken genutzt werden können.

Das Hafenbecken hat schon von alters her eine ovale Form und zwei Einfahrten. In das Becken ragen einige Brücken hinein, die auf Pfählen stehen. An ihnen legen die Schiffe an. Die Strömungen können somit ohne Hinderung durch Schiffe oder Molen durch das Becken streichen.

Durch die östliche Einfahrt strömt die Ebbeströmung ein, durch die westliche aus. Bei Ebbe entsteht im ovalen Becken eine rechts kreisende Wirbelströmung, die das Becken am Rand tief hält. In der Mitte jedoch lagern sich Sand oder Schlick ab – je nach dem, ob die Ströme stark beziehungsweise schwach sind. Die von der Ebbeströmung aufgewirbelten Ablagerungen werden mit der Ebbeströmung durch die westliche Einfahrt in das Estho hinaus getragen. Die Ablagerungen in der Mitte aber werden regelmäßig mit einem Bagger heraus geschöpft. Der Bagger steht auf einer runden Plattform am Ende einer der Brücken, die auf Pfählen ruht. Das ausgeschöpfte Material wird an Land abgelagert und bildet einen fruchtbaren Boden für die Landwirtschaft.

Was ist ein „Bagger“? Die Hafenbehörde hat seit alten Zeiten ein Holzgestell auf der Plattform errichtet, an dem ein langer Baumstamm schräg nach oben weisend befestigt ist. An seinem Ende ist eine Rolle, über die ein Seil läuft, an dem unten ein großer Eiseneimer hängt. Wenn einige Leute oder Ochsen an dem Seil ziehen, wird der Eimer über den Grund geschleift, und Schlamm wird in ihm aufgeschöpft. Den Schlamm holen sie dann raus und leeren ihn in eine Schute, ein breites Lastboot, die ihn ans Ufer bringt.

An einer Stelle überkreuzen sich die Ströme, und hier halten sich die Ablagerungen besonders tief, da die ausgehende Strömung unter der eingehenden Strömung durchstreicht. Zu diesem Zweck haben die Steinufer eine besondere Form bekommen, durch die die Strömung auf die genannte Weise gelenkt wird.

Bei Flut streichen die Ströme an den Einfahrten vorbei und können somit kaum Ablagerungen in das Becken hinein tragen. Auch trägt das Flutwasser weniger Schwebstoffe als das Ebbewasser.



Flut, oben die Windrose, genordet




Ebbe, oben die Windrose, genordet

Flutströme und Ebbeströme am Hafen Abyssál. Die Karte weist nach
rechts flußwärts = quellwärts. Dieses ist eine
grobe Skizze, die Hafen-Bauwerke sind aber sehr genau ausgebaut,
so daß bei Flut im Hafen fast keine Strömung ist, bei Ebbe aber.
Dadurch werden abgesetzte Schlämme mit der Ebbeströmung
ins Estho hinausgetragen und das Becken bleibt schiffbar.
In der Mitte steht ein Bagger auf der Brücken-Nock, mit
dem der in der Mitte angehäufte Schlamm regelmäßig
herausgeholt wird.
Entwurf, Bau und Skizze von der Hafenbehörde.












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